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Machtvakuum

Studenten und Polizei  ■ K O M M E N T A R

Eine phantasievolle und selbstbewußte Studentengeneration hat es offenbar in kürzester Zeit fertiggebracht, was Kreuzberger Militanz schon seit Jahren vergebens versucht: Kewenig den Glauben an den unbegrenzten Polizeieinsatz auszutreiben. Die Polizei könne die Universität „nicht flächendeckend“ schützen. Auch die Gewerkschaft der Polizei will nicht mehr die Studenten zum amtlichen Studienziel voranprügeln. Diese Einsicht ist sicherlich nicht nur von der verständlichen Scheu davor befördert, kurz vor der Wahl einen Exzeß an Polizeigewalt zu inszenieren. Zumal die Studenten eine Menge Pluspunkte bei der Bevölkerung haben. Aber nicht nur die pure Massenhaftigkeit des Uni -Widerstandes, die das Verhältnis Student/Polizist quantitativ ungünstig gestaltet, wirkt da; es liegt auch daran, daß dieser studentische Widerstand bislang nie die Kraft seiner elastischen Ausdauer und seiner bemerkenswerten Sprachfähigkeit verloren hat.

Doch Kewenig hat noch mehr erklärt; er wolle nicht den Kopf für eine jahrelang verfehlte Hochschulpolitik hinhalten. Ein bemerkenswerter Satz des ehemaligen Wissenschaftssenators. Ein gescheiterter Innensenator will einem gescheiterten Wissenschaftssenator nicht zur Seite springen. Kewenig und Turner: Die Versager im Kabinett Diepgen streiten sich um den Abgang. Wenn es den Studenten auch weiterhin gelingt, die Falle der Gewalt zu vermeiden, dann können sie in dem Machtvakuum durchaus eine langfristige Politik entwickeln. Schließlich stehen sie einem Senat gegenüber, dessen Ideenlosigkeit so weit gediehen ist, daß er selbst nicht mal mehr der Repression vertraut.

Klaus Hartung

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