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Bonner Libyen-Dementis im Treibsand

Wann gesteht Bonn Informationen aus dem Jahr 1986? / Regierung schweigt über „Experten-Reise“ in die USA / SPD und FDP kritisieren Vertuschungspolitik / Libyen-Makler Barbouti gibt Untergrund-Interviews / Erwartungsgemäß dementieren Firmen  ■  Von Petra Bornhöft

Berlin (taz/ap) - Für Regierungssprecher Friedhelm Ost war das Wochenende versaut. Erneut mußte der Mann seine Angaben vom Freitag über die Informationen der Bundesregierung zur Libyen-Affäre korrigieren. Nachdem eine Zeitung es gemeldet hatte, gestand Ost offiziell, daß die Bundesregierung bereits im September 1988 - und nicht mehr erst im Oktober vom Bundesnachrichtendienst (BND) Hinweise auf die Beteiligung westdeutscher Firmen am Bau der vermeintlichen Giftgasfabrik im libyschen Rabta erhielt. Meldungen des 'Spiegel‘, wonach der Geheimdienst bereits 1986 in Bonn vorstellig wurde, mochte Ost dagegen (noch) nicht bestätigen.

Allerdings habe sich die Bundesregierung, so Kohls glückloses Sprachrohr weiter, „seit Beginn der 80er Jahre laufend über Giftgasproduktionsprojekte im Mittleren und Nahen Osten unterrichten lassen“. Alle zuständigen Behörden und Ressorts hätten die entsprechenden BND-Informationen unverzüglich erhalten. Das ist nicht auszuschließen.

Doch schon bei der deutschen Giftgas-Entwicklungshilfe für den Irak saßen Regierung und Fahnder jahrelang auf ihren Ohren. Die gleiche, notorische Ignoranz bei Atomexporten: Wissentlich ließ die Bundesregierung die Düsseldorfer Hempel -Gruppe Uran nach Südafrika und Schweres Wasser nach Indien und Argentinien liefern.

Daß der für Geheimdienste zuständige Staatssekretär im Kanzleramt, Waldemar Schreckenberger, tatenlos auf BND- und CIA-Informationen saß, hält der SPD-Abgeordnete Gerhard Jahn „im Hinblick auf die Person leider für vorstellbar“. Jahn, zugleich Mitglied der Parlamentarischen Kontrollkommission zur Überwachung der Geheimdienste, sagte weiter: „Es fällt einem schwer, hier nicht von Machenschaften zu reden.“

Die SPD hat eine Sondersitzung der Kontrollkommission beantragt. Parteichef Hans Jochen Vogel warf der Regierung „Vertuschungsversuche“ vor. Für die FDP forderte die Abgeordnete Hildegard Hamm-Brücher einen parlamentarischen Untersuchungsausschuß.

Heftig reagierte Friedhelm Ost auf den Vorwurf der Vertuschungspolitik. Die Bundesregierung habe ihre Informationen zurückgehalten, um betroffene Firmen und Personen nicht vorzeitig zu warnen und die Ermittlungen und Fahndungen nicht zu gefährden. Wer da ermittelt haben soll, sagte Ost nicht. Bekannt sind bisher nur zwei flüchtige und ergebnislose Blitzchecks der Oberfinanzdirektionen Freiburg und Hamburg in den Betrieben der Imhausen-Chemie. Das Zollkriminalinstitut in Köln tritt bei der Auswertung der in den Medien veröffentlichten Unterlagen auf der Stelle, und die Staatsanwaltschaft Offenburg bequemte sich erst am Freitag zu ersten Aktivitäten. Ergebnislos - laut Ost verliefen auch die Gespräche der „Experten-Gruppe“ in den USA. Daran beteiligt waren Mitarbeiter des BND und zweier Ministerien. Die Herren kamen am Samstag ohne „gerichtsverwertbare Beweise“ zurück. Dagegen berichtet die 'Welt‘ - wegen ihrer guten Kontakte zum BND hatte das Blatt in der vergangenen Woche bereits mehrere Treffer gelandet in ihrer heutigen Ausgabe, die Fach Fortsetzung auf Seite 2

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leute hätten in den USA Informationen über Umfang und Art der in Rabta gelagerten chemischen Grundstoffe erhalten. Deren Zusammensetzung, die Anordnung der Anlage und ihre Ausrüstung mit Tankbehältern deute nach US-Angaben auf die Produktion von Giftgas hin. Friedhelm Ost indes schwafelte lediglich von „Hinweisen“ auf ausländische Firmen. Das wiederum konnte nicht nur Ost schon mehrfach in den Medien lesen. Als letzter verbreitete sich darüber der Rabta -Projektmanager und Exil-Iraker Barbouti gestern in einem Interview mit dem britischen 'Observer‘. Barbouti will ausschließlich

tätig gewesen sein für den Aufbau von „sieben bis acht Fabriken“ des „Technologie-Zentrums“, zu dem die „streng abgeschirmte Chemiefabrik Pharma“ nicht gehörte. Sein Auftraggeber, das libysche Atomenergie-Ministerium, habe ein Ausbildungszentrum, in dem „die Libyer ihre technologischen Fähigkeiten im eigenen Lande verbessern können“, entwickeln wollen. Als am Bau beteiligte Firmen nannte Barbouti: das dänische Unternehmen DISA, Japan Steel Works, Energoinvest (Jugoslawien), Flaekt (Belgien) sowie Firmen aus Italien und Frankreich. Aus der Bundesrepublik seien Preussag und Linde beteiligt gewesen, nicht aber die Imhausen-Chemie. Er, Barbouti, kenne deren Chef nur von gesellschaftlichen Ereignissen.

Jedoch steht Imhausen vor allem im Verdacht, beim Bau der angeblichen Giftgasfabrik engagiert gewesen zu sein. Nach Informationen des 'Spiegel‘ steht nicht nur das fest. Die bayrische Firma Intec rüste derzeit libysche Jagdbomber zum Auftanken in der Luft um. Damit könnte Libyen seinen Aktionsradius bis zum Erzfeind Israel ausdehnen. Erwartungsgemäß dementierte der Intec-Chef gestern das Rüstungsgeschäft.

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