: Die Frau - das unerforschte Arbeitswesen
■ Gertrude Krell referierte in der Bremer Universität über die Frau in der Arbeitswissenschaft Desinteresse und Spekulationen bestimmen die Diskussion
Männer sind zehn Zentimeter größer und anders proportioniert als Frauen. Die Arbeitsplatzgestaltung richtet sich nach den Frauen, aber glücklicherweise werden Arbeitsplätze in typischen Männerberufen an männliche Maße angepaßt. Es setzt sich die Auffassung durch, daß Männer und Frauen gleiche Intelligenz besitzen. Ein psychologisches Problem der Männer besteht darin, daß sie gerne an Maschinen basteln; durch gute Einarbeitung ist das Problem aber in den Griff zu bekommen. Nach wie vor umstritten ist die Eignung männlicher Mitarbeiterinnen für Führungspositionen, denn Frauen ordnen sich nicht gerne männlichen Vorgesetzten unter.
Das sind allesamt Statements aus renommierten Werken der Arbeitswissenschaft, natürlich mit umgekehrten (Geschlechts)
Vorzeichen. Zusammengestellt und verdreht hat die wissenschaftlichen Ergüsse ihrer Kollegen die Oldenburger Arbeitswissenschaftlerin Dr. Gertraude Krell, die in der letzten Woche im Rahmen einer Streikveranstaltung an der Bremer Uni über Das Bild der Frau in der Arbeitswissenschaft referierte.
Traditionell, das machte Krell, eine der ganz wenigen Frauen in der Arbeitswissenschaft, deutlich, Frauen fristen in der Arbeitswissenschaft neben Jugendlichen, Behinderten und AusländerInnen als Mängelwesen eine Randexistenz. Ein geringeres Herz-Lungen-Volumen und die weibliche Tendenz zu X-Beinen dienen zum Beleg ihrer geringeren Leistungsfähigkeit und erheben die männliche Tendenz zu O -Beinen zum Normalfall.
Dabei sind das noch günstige
Fälle, wo überhaupt gemessen wird. Häufiger wird schlicht spekuliert. Bevorzugtes Spekulationsobjekt der Herren Wissenschaftler: Die Belastungsfähigkeit der Frau. Beim einen sind es zwei Drittel, beim anderen 85 Prozent der männlichen Norm. Ist ausnahmsweise ein weiblicher Pluspunkt zu verbuchen, gibt es dafür bestimmt eine Erklärung. Eine „größere Geschicklichkeit“ der Frauen sei ein Ergebnis von langjähriger Übung, heißt es da. Die angeblich so wenig belastbaren Wesen erweisen sich nur dann als besonders zäh, wenn es Männer vor glanzlosem Ungemach bewahrt. So attestiert die Arbeitswissenschaft den Frauen „höhere Monotoniefestigkeit“. Beweise liefert sie nicht.
Am allerunheimlichsten ist den nichtmenstruierenden Wissenschaftlern offenbar alles rund um
die Gebärfähigkeit der Frau. Noch in einem Buch der siebziger Jahre fehlte nicht der Hinweis auf den „Volksglauben“, der menstruierende Frauen in die Nähe von Hexen rücke. Im Vordergrund steht allerdings die angebliche Beeinträchtung der Leistungsfähigkeit von Frauen in Menstruation oder Wechseljahren.
Als Phoenix aus der Asche ersteht der Mann allerdings nur in den Kapiteln über die abweichende Gattung Frau. Ansonsten erscheint der Normalmensch Mann als behindertes, unzuverlässiges Mängelwesen, das in puncto Zuverlässigkeit und anderen hervorragenden Arbeitseigenschaften hoffnungslos hinter Maschinen zurückfällt. „Der Roboter braucht keine Vesperzeit, wird nicht krank und kann auch nicht streiken“, heißt es in einem
Werk neueren Datums.
Gegen diese „Maschinisierung“ des Menschen hat sich in jüngster Zeit eine weitere Richtung in der Arbeitswissenschaft etabliert, die mittels „Psychologisierung“ die Lebendigkeit des Menschen als Chance sehe. „Machopower ist in Führungspositionen genauso wenig erfolgreich wie im Bett“, schreibt ein Exponent der Psychostrategie, die vor allem aus der Managementforschung kommt. Nach dieser Variante wären die Frauen zugeschriebenen Eigenschaften plötzlich karrierefördernd.
Trotz schöner Theorie und Titelgeschichten in Hochglanzmagazinen über Karrierefrauen spricht die Statistik eine andere Sprache: Frauen auf besseren Posten sind immer noch eine Seltenheit. Gertraude Krell zitierte die pessimistische Erklärung ihrer
Kollegin Claudia Weber: Die Psychologisierungsstrategie gehe vom Unternehmen als einem familien- oder clanähnlichen Gebilde aus, nach japanischem Vorbild. Familien und Clans basierten auf einem „Wir-Gefühl“, das sich gegen Außenstehende richte und sei deshalb tendeziell rassistisch und sexistisch. So erweise sich die Psychologisierungsstrategie in der Realität als „Exklusivmodell für Stammbelegschaften“ - also genau die inländischen Männer in der Blüte ihrer Jahre aus der Mottenkiste der Arbeitswissenschaft.
Die Bremer Uni hat demnächst die Chance, mit Gertraude Krell eine Gegnerin alter und neuer Mottenkisten zur Professorin für Arbeitswissenschaft zu berufen. Demnächst sind zwei Stellen für Arbeitswissenschaft zu besetzen.
Gaby Mayr
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen