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„Keiner will die Große Koalition“

Erich Pätzold, Ex-Gesundheitssenator und Exponent des rechten SPD-Flügels  ■ I N T E R V I E W

taz: Herr Pätzold, jetzt gibt es drei mögliche Optionen: große Koalition, wobei die CDU aufgrund ihres hauchdünnen Vorsprungs den Regierenden Bürgermeisters für sich reklamieren kann, eine SPD-geführte Regierung in Zusammenarbeit mit der AL oder Neuwahlen. Was wollen Sie, was will Ihre Partei?

Pätzold: Ich sehe die Option Neuwahl nicht. Beide anderen Möglichkeiten sind auch nur unter der Führung der SPD denkbar. Herr Diepgen, da ist der Wählerwille ganz eindeutig, hat keine Mehrheit mehr, es gibt statt dessen eine linke Mehrheit in der Stadt.

Würde die SPD als Partei eine große Koalition überhaupt aushalten?

Die Frage für mich ist: Was ist besser für die Stadt. Elefantenhochzeiten haben einer demokratischen Entwicklung nie gutgetan - ein Ergebnis wäre sicherlich, daß die Republikaner bei den nächsten Wahlen noch stärker würden -, und sind deshalb nur für besondere Ausnahmesituationen denkbar. Das ist gegenwärtig aber nicht der Fall.

Rechtfertigen denn die inhaltlichen Ziele eine große Koalition?

Also kein Berliner Sozialdemokrat möchte mit dieser CDU zusammenarbeiten. Dazu haben wir zu bittere Erfahrungen gemacht. Aber: Eine Regierung braucht einen hohen Grad von Verläßlichkeit. Ist die AL dazu in der Lage? Und ist die AL bereit, die Essentials zu akzeptieren, die Voraussetzung einer Zusammenarbeit sind? Anerkennung der Stellung der Alliierten und die Rechtseinheit mit dem Bund beispielsweise. Es bleibt immer noch die Frage nach dem Verhältnis zur Gewalt. Da habe ich meine Zweifel, wie konservative Reaktionäre mit Gewalt umgehen. Es gibt ja viel subtilere Formen als die Gewalt auf der Straße. Aber es wäre für die Entwicklung trotzdem unabdingbar, daß die AL noch einmal deutlich machen würde, daß sie Gewaltanwendung, insbesondere wenn es eine linke Parlamentsmehrheit gibt, ablehnt.

Wie sind denn Ihre Erfahrungen mit der AL?

Ich persönlich stand der AL ja sehr skeptisch gegenüber und habe im Laufe der Jahre sehr angenehme menschliche und politische Erfahrungen gesammelt.

Ist die AL nach Ihrer Erfahrung unzuverlässig?

Nein, das kann ich überhaupt nicht sagen. Das gilt im übrigen auch weit über die Bereiche hinaus, die ich persönlich abgedeckt habe. Aber es bedarf einer Klärung der Punkte, die ich genannt habe.

Dabei entsteht leicht die Gefahr, daß es zu einem Streit um Symbole kommt, statt über Inhalte, die eine Zusammenarbeit sinnvoll machen könnten, zu reden.

Die entscheidenden Hürden liegen eigentlich auf der Hand. Kann und will eine Partei wie die AL, die ja als außerparlamentarische Bewegung angetreten ist, eine Regierung in einer so schwierigen Stadt wie Berlin stützen, auch wenn es zu schmerzhaften Entscheidungen kommt. Wir müssen einen Haushalt verabschieden, viele im Prinzip richtige Forderungen der AL sind vermutlich nicht zu finanzieren.

Mit der CDU ist eine soziale Politik und die Wiederherstellung der inneren Liberalität gar nicht zu machen.

Das sehe ich auch, und deshalb glaube ich, daß vor allem auf die SPD eine ganz schwierige Phase zukommen wird. Es wird uns wahrscheinlich nichts anderes übrigbleiben als zu versuchen, einen Minderheitssenat zu installieren und in einer ersten Phase die parlamentarischen Mehrheiten im Einzelfall zu suchen. Im konkreten Prozeß wäre dann eine Verfestigung der Zusammenarbeit mit der AL möglich, vielleicht auf lange Sicht auch in Form einer Koalition.

Interview: Klaus Hartung und Jürgen Gottschlich

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