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Salzgitter AG flüchtet nach vorn

Der bundeseigene Konzern wußte seit 1985 von Lieferungen für Giftgasfabrik in Libyen / Von Vertragspartner Imhausen „offensichtlich getäuscht“ / Staatsanwaltschaft Offenburg will Verfahren abgeben  ■  Von Petra Bornhöft

Berlin (taz/dpa) - Obgleich die Staatsanwaltschaft Offenburg nicht daran denkt, der bundeseigenen Salzgitter AG wegen ihrer Libyen-Geschäfte nahezutreten, stürzte sich der Konzern gestern in die Flucht nach vorn. Dessen Tochtergesellschaft, die Salzgitter Industriebau GmbH (SIG), wußte entgegen wochenlanger Dementis, daß sie für die libysche Chemiefabrik in Rabta tätig war. Dies gab der Konzern in Salzgitter bekannt.

Bei Durchsicht der Unterlagen hätten Mitarbeiter ein Schreiben der Imhausen-Chemie GmbH aus Lahr vom Februar 1985 gefunden, das in seiner Anlage einen Hinweis auf Rabta enthalte. Scheinheilig, aber mit der Strafprozeßordnung bestens vertraut, machte sich das Unternehmen die Siemens -Version zu eigen, wonach auch die SIG vom Vertragspartner Imhausen „offensichtlich getäuscht“ worden sei. Die SIG habe einen Auftrag für Hongkong erfüllt, doch Experten des Unternehmens hätten nun herausgefunden, daß SIG-Pläne für eine Anlage zur Herstellung pharmazeutischer Vor- und Zwischenprodukte „bei der in Hongkong errichteten Chemieanlage offenbar keine Verwendung gefunden“ hätten. Ebenso sei eine nach SIG-Plänen von einer namentlich nicht genannten deutschen Firma gebaute Schaltanlage „in Hongkong bisher nicht eingebaut worden“.

Noch am 16.Januar hatte die Salzgitter AG erklärt, bei dem 1984 von Imhausen erteilten Auftrag (sieben Mio. DM) für das Projekt „Pharma 150“ in Hongkong habe es „nie den geringsten Hinweis auf Libyen gegeben“. Oberinspektor und Finanzminister Stoltenberg hatte dem Unternehmen daraufhin „größte Zurückhaltung bei der Bewertung der Informationen“ versprochen. Auch gestern betätigte sich Stoltenbergs Sprecher nur als Bauchredner des Konzerns: Die Salzgitter AG habe mitgeteilt, deren Mitarbeiter hätten 1985 den Hinweisen auf Rabta „keine Bedeutung beimessen können“.

Ungerührt von dem geschickten Schachzug der Salzgitter AG als vermeintliches „Opfer“ einer vielleicht „arglistigen Täuschung“ durch Imhausen ist die SIG juristisch fein raus ging man bei der Staatsanwaltschaft Offenburg gestern anderen Beschäftigungen nach. Wer überhaupt im Dienst, nicht „stundenlang zu Tisch“ war, wußte „über gar nichts Bescheid“. Gleichwohl meldete dpa, daß die Staatsanwaltschaft prüfe, das Verfahren an ihre Mannheimer Kollegen abzugeben. Die Entscheidung sei „in den nächsten Wochen zu erwarten“. Die Mannheimer Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Wirtschaftskriminalität weiß offiziell „nichts“ von der neuen Aufgabe. Der Generalstaatsanwaltschaft in Karlsruhe liege ein entsprechender Antrag nicht vor, sagt sie.

Behördenchaos auch im Fall einer Lieferung von Raketenteilen nach Libyen. So bestätigte die Oberfinanzdirektion (OFD) Karlsruhe gestern, „daß in einem, schon seit längerer Zeit anhängigen Fall wegen der Ausfuhr von Raketenteilen ermittelt wird“. Über Zeitpunkt und Umfang des Waffenexports und die Beteiligten wahrte ein OFD -Sprecher Stillschweigen. Gleichwohl verwies er die taz an „die zuständige Staatsanwaltschaft München I“. Deren Behördenleiter, auch beschäftigt mit dem Verfahren wegen des deutsch-libyschen Waffengeschäftes der Firma Intec, fiel aus allen Wolken.

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