piwik no script img

Geist und Klang der 50er: noch heute lupenrein

■ Eckhard Henscheid sinnierte über Eduard Zimmermann schon 1986 in der taz - wir drucken's leicht gekürzt nochmal

Die tägliche und wahrhaft begnadete 'Bild'-Zeitungs-Rubrik „Fernsehen wird durch 'Bild‘ erst schön“ freute sich unlängst schon den ganzen Tag auf Eduard Zimmermanns Freitagabend-Sendung „Aktenzeichen XY...ungelöst“. Gab aber einschränkend der Sehnsucht Ausdruck: Zimmermann möge doch etwas mehr lächeln.

Den Gefallen tat dieser seinen Seid-nett-zueinander -Gesinnungsfreunden nicht; und traumwandlerisch tat er recht daran - denn dafür ist die „XY„-Sache zu ernst. Es geht schließlich um die Scheidung der Welt nach Gut und Böse. Lächeln aber sieht man Ede durchaus in seiner gleichfalls schon mythischen Pendant-Sendung „Vorsicht, Falle! Die Kriminalpolizei warnt: Nepper, Schlepper, Bauernfänger“.

Lächeln wie gestanzt, ja wie gefroren. Denn hier geht's um Allzumenschliches, fast - aber nur fast! - Verzeihliches. Abermals weiden sich die Augen an einem strammen Herrn mit Hornbrille und kompromißlos zurückgepappten Silberhaaren, der Rumpf hineingesteckt in einen weißen sommerfestartigen Freizeitanzug; vor azurblauem Hintergrund postiert, abwechselnd an einem fast alma-mater-nahen Katheder oder aber an einem Stehimbißtischchen. (...) Die Miene ist eine Idee entspannter als in „XY“, ein Hauch von präzis ausgetüfteltem Humor als Nächstenliebe schimmert schimmlig auf - denn siehe, hier geht es nicht um Schwerkriminalität, die den Millionen draußen den Start ins Wochenende versüßt, sondern nur um „zwielichtige Blüten aus dem bunten Topf“ derer, die das „offene Ohr durch dubioses Geschäftemachen ausnützen“. (...) All dergleichen sagt er offen hörbar im vollen Ernst. Unsere Dichter sollten von ihm lernen.

Den Verlust der Gebärdensprache beklagen häufig Kulturverfallexegeten. Zimmermann hat nur wenige Gebärden drauf, die aber analphabetensicher: 1.Das bedauernd rollende Auge samt der einseitig hochgeschürzten Augenbraue. 2.Die Krümmung von Lippe und Wange zum Ausdruck des Warnens wie Resignierens angesichts der Bosheit des Lebens. 3.Das wie hilflose, fast heiter klagende Heben beider Ärmchenstumpfen im weißen Sommerfestanzug. Zum Sendungsende hin nimmt die weltabgebrühte Lockerheit klafterweise zu. „Tja“, unkt Zimmermann (...) fast philosophisch lächelnd nach dem obligaten Trickdieb-Finalscherzo; dem seinerseits ein Novum vorausging: „Aktuelle Kurzwarnungen“ - nein, laut Murphys ehernem Gesetz ist in dieser Welt wirklich kein Scheiß undenkbar.

Insgesamt stärker ist Zimmermann in „Aktenzeichen“, und am stärksten war er vor einigen Jahren, als seine live zugeschalteten Österreich-Schweizer Partner noch Teddy Podgorski und Werner Vetterli o.ä. hießen und Ganovengesichter in die Kamera reckten wie kaum je ein Muttermörder; als zum Schluß hin jeweils der unsterbliche Peter Hohl (...) aufmarschierte, dem Chef-Zimmermann die ersten aktuellen Erfolgsmeldungen vorzutragen. (...)

Obschon beide Zimmermann-Klamotten wohl erst in den 60er Jahren debutierten, haben wir den noch heute lupenreinen Geist und Klang der 50er Jahre. Ordnung, Sauberkeit und eine Prise Humor, selbdritt in der immerwährenden bauernfängerischen Funktion: der weiteren Schürung der ohnehin nimmermüd flackernden Kleinbürgerängste und Angstbedürfnisse. Aber derlei haben Soziologen ja schon vor 20 Jahren komplett ausgedeutet. Geändert hat sich nichts; so wie die 50er Jahre in Trübsinn und Erhabenheit ja immer noch die unseren sind; so will es vielfach scheinen.

8.9.86

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen