: „Keine Sündenböcke“
■ 10.000 Menschen demonstrierten am Sonnabend gegen die „Republikaner“ / Dritte Demo innerhalb einer Woche / Hohe Beteiligung von Immigranten
„Wir lassen uns nicht zu den Sündenböcken einer verfehlten Politik machen!“ Gut 10.000 Menschen, vor allem Emigranten und Flüchtlinge, machten sich dieses Motto zu eigen und demonstrierten am Sonnabend gegen den Einzug der „Republikaner“ ins Abgeordnetenhaus. Nach der spontanen Kundgebung am Wahlabend war dies bereits die dritte antifaschistische Demonstration in einer Woche - umso erstaunlicher war die rege Beteiligung. Aufgerufen hatte ein in dieser Form in Berlin bislang einmalig breites Bündnis unterschiedlichster Emigranten-, Flüchtlings- und Ausländerorganisationen, die auf Initiative des Immigrantenpolitischen Forums zusammengekommen waren, um endlich eine andere Ausländerpolitik in dieser Stadt durchzusetzen. Die Demonstration am Sonnabend war dafür ein ermutigender Anfang.
Eine bunte Mischung unterschiedlichster Nationalitäten zog vom Breitscheidplatz zum Rathaus Schöneberg, um deutlich zu machen, daß sie nicht länger bereit sind, stillschweigend hinzunehmen, wie ihnen die Schuld für fehlenden Wohnungen und Arbeitsplätze in die Schuhe geschoben wird. „Sind wir etwa verantwortlich für die Wohnungs- und Arbeitsmarktpolitik“, fragte auf der Abschlußkundgebung vor dem Rathaus die Sprecherin des Forums, Celebi-Gottschlich, „ist es unsere Schuld, daß der CDU/FDP-Senat mit der angeblichen Ausländerschwemme, der vermeintlichen Landnahme durch die Türken ein Ausländerproblem herbeiredete und damit den 'Republikanern‘ den Boden bereitete?“
Von einem zukünftigen Senat erwarten sie, daß Emigranten und Flüchtlinge nicht länger als Menschen zweiter Klasse behandelt werden. Wahlrecht für alle und eine Änderung der diskriminierenden Gesetzgebung gegenüber den Minderheiten als ein Signal an die Adresse der Zimmermänner, Lummers und Schönhubers stehe nun auf der Tagesordnung, wurde immer wieder betont.
Daß sich in Berlin bereits etwas verändert hat, zeigte sich am Verhalten der Polizei während der Demonstration: Weit und breit kein Helm in Sicht, stattdessen beschränkte sich die Polizei auf die Verkehrsregelung. Entsprechend friedlich war auch der Verlauf des Aufzuges. Keine Scheibe klirrte, und niemand machte den Versuch, das Rathaus zu stürmen. Die Gruppen, die zu der Demonstration aufgerufen hatten, wollen sich weiterhin treffen, um sicherzustellen, daß ihre Forderungen auch dann nicht untergehen, wenn der erste Schock über die „Republikaner“ wieder abgeklungen ist.
J.G.
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