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„Einschneidender Brief“

■ Hassemer und das Dilemma mit dem Chefdirigenten / Orchester gegen den „Schwebezustand“

Nachdem die taz in der gestrigen Ausgabe den Brief Herbert von Karajans an den Kultursenator abdruckte, distanzierte sich jetzt Hassemer sehr deutlich von den ultimativen Forderungen, die ihm allerdings schon seit dem 10. Januar vorlagen. Er habe auf seinem Montagstrip nach Salzburg von Karajan verdeutlichen müssen, „daß das ein sehr einschneidender Brief war.“ Er „wollte deutlich machen, daß das (das heißt die Reduzierung des Berliner Konzertangebots) auch etwas mit dem Vertrag zu tun hat“. Allerdings habe sich in Salzburg herausgestellt, daß Karajans Gesundheitszustand „jetzt noch ernster als bisher“ zu nehmen ist.

Merkwürdige Kommuniques nach dieser heimlichen Reise: Hassemers Erklärungen lassen unklar, ob der Rücktritt Karajans thematisiert wurde, ob der Maestro auch seine Verpflichtungen außerhalb Berlins reduziert.

Klaus Häussler, Orchestervorstand des Berliner Philharmoniker, findet den jetzigen „Schwebezustand“ unhaltbar. Nach der Rückkehr Hassemers müsse darüber gesprochen werden, ob es neue vertragliche Regelungen mit Karajan geben soll; ob es zum Beispiel „wegen der Minimierung seiner Vertragsverpflichtungen zu Einschränkungen seiner Rechte“ kommen müsse. „Bei der jetzigen Reduzierung der Konzerte mit dem Chefdirigenten haben wir niemand, der uns künstlerisch prägt.“ Es müsse aber jetzt einen neuen Modus geben. Mit anderen Worten: das Orchester drängt auf einen Nachfolger eigener Wahl.

Hassemer beeilte sich gestern zu versichern, daß er mit dieser quasi geheimen Reise keine Fakten habe schaffen wollen. „Das ist mir sehr klar, daß ich in einer solchen Situation (nach der Wahl) nicht schwerwiegende Vertragsveränderungen mit Herrn von Karajan vornehmen kann.“

K.H.

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