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Dian und Digitt

■ Zur Verfilmung der Geschichte der Gorillaforscherin Dian Fossey

Im feuchten Buschgras kauert eine Frau. Sie wartet. Über ihre hochgezogenen Schultern wirft sie schüchtern einladende Blicke auf eine Figur außerhalb des Bildausschnitts. Sie reißt ein Blatt von einem Strauch, kaut mit mächtigem Kiefernmalmen darauf herum und grunzt. Ganz langsam läßt sie ihren Oberkörper zu Boden sinken, die Arme gleiten zur Seite. Jetzt liegt sie da, still, ganz offen und erwartungsvoll. Nasser Nebel hängt schwer über dem Gras. Dann kommt ER, genannt Digitt. Unendlich sanft berührt ER ihre Hand. Ein ganz leichtes Zittern geht durch ihren Körper. Was dann folgt, nach diesen Bildern folgen muß, wird nicht gezeigt. Denn ER ist ein Affe.

Der Film Gorillas im Nebel erzählt die Geschichte der amerikanischen Anthropologin Dian Fossey, die 18 Jahre lang bis zu ihrer grausamen Ermordung 1985 in den Bergen Ruandas unter Gorillas gelebt, sie erforscht und vor der drohenden Ausrottung gerettet hat. Es ist die Geschichte einer weiblichen Obsession. Im Zusammenhang mit der allerorten geübten Zivilisationskritik, die sich häufig mit einem nur mehr sentimentalen Verhältnis zur Natur paart, wird diese eigentlich verbotene Geschichte gesellschaftsfähig allerdings erst, nachdem sie in eine (Drehbuch-)Fassung umgeschrieben wurde, die die höchst ambivalenten Aspekte der „Leidenschaft der Dian Fossey“ (so der Untertitel des Films) nur noch erahnen läßt.

Hollywood hat sich entschieden, aus Dian Fossey eine Heldin zu machen, und hat in Sigourney Weaver eine Schauspielerin gefunden, die dieser Rolle ohne Pathos gerecht wird. In ihrer Darstellung scheint immerhin eine Seite der Geschichte der Dian Fossey durch, die der Film nicht zu erzählen wagt, die ihn aber als Subtext durchzieht: die der Verschmelzung der Forscherin mit ihrem Gegenstand, die hier konkret wird in der verbotenen Liebe zwischen Mensch und Affe.

Die feministische Literaturwissenschaft hat diese Form der Arbeit, die eine Kontinuität von Leben und Werk herzustellen sucht und meistens tödlich endet, in den Biographien vieler Schriftstellerinnen nachgezeichnet. Fosseys Arbeit im afrikanischen Dschungel hatte eine mythische Dimension von Unmittelbarkeit, in der die Forscherin methodisch jede Abstraktion verweigert und sich ihrem „Forschungsobjekt“, den Gorillas, mimetisch nähert. Sie lernt ihre Körpersprache und Gestik, die Laute, mit denen sie sich verständigen, ihre Rituale und Affekte. Immer tiefer taucht sie ein in eine biologische Ordnung und verliert zunehmend den Kontakt zu ihrem gesellschaftlichen Kontext, zu ihren Mitarbeitern und der gesellschaftlichen Wirklichkeit Ruandas, die sie nie interessiert hat.

Gorillas im Nebel zeigt diese Entwicklung Fosseys zur menschenverachtenden Tyrannin nur sehr zurückgenommen. Ihre Dramatik kann der Film nicht entfalten, weil er Dian Fosseys Versuch, den Widerspruch zwischen Gesellschaft und Natur aufzulösen, indem „Kultur“ wieder „Natur“ werden soll, nie deutlich benennt und nie in Frage stellt. Zwar wäre mit der Problematisierung ihres Forschungsansatzes auch ihr Status als Heldin gefährdet, aber der Film um ein vielfaches spannender.

In die Konvention des Erzählkinos übersetzt, ergäbe die Geschichte der Aporien des Forscherinnenlebens der Dian Fossey ein Melodrama. Es wäre das Melodram einer utopischen Leidenschaft, einer obsessiven Begierde, einer unmöglichen Liebe und der Vereinigung allein im Tod. Die Geschichte von Dian und Digitt. Auf diese Geschichte aber kann der Film sich nicht einlassen.

Verena Lueken

Gorillas im Nebel - Die Leidenschaft der Dian Fossey, von Michael Apted, mit Sigourney Weaver, USA, 1988, 129 Minuten

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