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ABM: Drastische Kürzungen aus Nürnberg

■ Bremen und Niedersachsen werden insgesamt ein Viertel weniger ABM-Mittel aus Nürnberg bekommen / Statt 890 nur noch 660 Millionen / Landesarbeitsamt: „Mit blauem Auge davongekommen“ / Netzwerk: Kleine bleiben auf der Strecke

Jetzt liegt der erste Teil der Hiobs-Botschaft auf dem Tisch. Für neue Arbeits-Beschaffungs-Maßnahmen (ABM) stehen in diesem Jahr bundesweit 24 Pro

zent weniger zur Verfügung. Nach langen Beratungen in Nürnberg beschloß gestern die Bundesanstalt für Arbeit (BfA), wieviel vom jetzt viel kleineren Ku

chen die einzelnen Landesar beitsämter in 1989 abgeschnitten kriegen. Das gemeinsame Landesarbeitsamt (LAA) für Bremen und Niedersachsen mit Sitz in Hannover wird 660,7 Millionen Mark bekommen - das sind rund 230 Millionen weniger als im letzten Jahr: wie im Bundesdurchschnitt ein Viertel weniger.

„Eine ganz, ganz gerechte Geschichte“, lobte gegenüber der taz der BfA-Pressesprecher Mann das Ergebnis. Mit zwei kombinierten Rechenverfahren hatten die NürnbergerInnen ihres Amtes gewaltet, den Mangel zu verteilen. Erstens: 24 Prozent weniger für alle. Zweitens: Aus den „Arbeitsmarkt -Strukturdaten“, also der Arbeitslosen-Quote, der Zahl der Langzeit-Arbeitslosen usw. die Strukturdaten in den einzelnen Bezirken neu festlegen und neue Indikatoren für 1989 schaffen. Die BfA berechnete beides und mittelte dann im Sinne von „Gerechtigkeit und Kontinuität“ genau dazwischen.

Auch der ABM-Referent des LAA Niedersachsen/Bremen, Jörg Tetzner, wertet die Zahl „bei aller Melancholie über die Entwicklung noch positiv“. Seine Logik: Weil Bremen und Niedersachsen in den letzten Jahren viel mehr ABM akquiriert hatten, als ihnen nach den Strukturdaten zugestanden hätte, seien die Nordlichter jetzt „mit einem blauen Auge davongekommen“, denn: „Die Privilegien der Vorjahre bleiben beziehungsweise werden nur anteilig gekürzt“.

Erst wenn am 28. Februar in Hannover die 660 Millionen auf die 22 einzelnen Arbeitsämter verteilt werden, weiß Bremen genau, was nicht mehr geht. Fest steht aber schon, daß nach den neuen ABM-Förderrichtlinien die Bedingungen viel schlechter geworden sind. Die Regelförderung für Stellen wird nur noch 75 Prozent betragen. Und in seiner Antwort auf eine Kleine Anfrage der Grünen hatte der Bremer Senat bereits angekündigt, daß

ABM-Bewilligungen künftig davon abhängig gemacht werden, daß Projektträger „eine ordnungsgemäße und erfolgreiche Durchführung garantieren“. Das heißt: Die sachliche und technische Ausstattung muß da sein, und personell muß die Decke so groß sein, daß „die Verantwortung für die Durchführung nicht ausschließlich von ABM-Kräften“ getragen wird. Also: Träger, die reich sind und sowieso viel Personal haben, werden bevorzugt.

Das sind Bedingungen, die für die notleidenden kleinen Projekte im Frauen-, Bildungs- und Kulturbereich in aller Regel nicht zutreffen. „Die sortieren damit die Träger“, stellte denn auch Niko Diemer von 'Netzwerk‘ klar, „große Träger mit ihren Kombi-Programmen aus EG-Mitteln und §19 -Stellen werden favorisiert.“ In einer Umfrage unter den selbstoranisierten Projekten hatten die Bremer Grünen im Januar herausgefunden, daß zwischen Sommer

88 und Januar 89 schon ein Verlust an rund 50 Prozent der ABM-Stellen verkraftet werden mußte. Diemer findet deshalb die allgemeine Durchschnittszahl von 24 Prozent irreführend und „viel zu niedrig“ und rechnet im Bereich der kleinen Träger mit einem Drittel bis einer Hälfte Stellen -Streichungen. Für die Zukunft der kleinen Träger sieht Nico Diemer schwarz: „Die haben es dann verdammt schwer, überhaupt reinzukommen!“

Sobald die Zahlen für Bremen auf dem Tisch liegen, will der Senat einen Nachtragshaushalt in Deputationen und Bürgerschaft einbringen und zusätzlich 14 bis 18 Millionen lockermachen. Das kann aber 230 Millionen nicht ersetzen. Senats-Ton: „Eine volle Kompensation (...) ist haushaltspolitisch nicht möglich und ordnungspolitisch nicht sinnvoll.“ An die Träger ergeht ersatzweise der gute Rat, „ihre wirtschaftliche Existenz durch Eigenmittel zu sichern“. Susanne Paa

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