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„Die Koalition wird ein Desaster“

Das „Linke Forum“ der Grünen diskutierte in Bonn über die Berliner Koalitionsverhandlungen / Die Berliner Unterhändler plädierten heftig für eine Tolerierung / Mehrheit gegen „Schöneberger Schanddiktat“  ■  Aus Bonn Gerd Nowakowski

Auf dem zweitägigen Treffen des undogmatischen „Linken Forums“ in den Grünen in Bonn stand am Sonntag die Diskussion über die Ergebnisse der bisherigen Verhandlungen zwischen SPD und AL im Mittelpunkt. Negativ bewertet wurde von der Mehrheit der rund 100 Anwesenden das zum Wochenende bekanntgewordene Ergebnis der „Essential-Kommission“. In der Aussprache wurde es „Schöneberger Schanddiktat“ genannt. Kritisiert wurde die Anerkennung des staatlichen Gewaltmonopols und - vom Hamburger Michael Stamm - die „Akzeptanz der westlichen Sicht des kalten Kriegs“ durch die AL.

Die BerlinerInnen Birgit Arkenstette und Harald Wolf beide Mitglieder der Verhandlungskommission - machten ihren Dissens zum Ergebnis deutlich. Wolf betonte, die Formulierung zur Gewaltfrage sei für eine Zusammenarbeit mit der SPD auf Senatsebene gedacht und bedeute „keine Unterwerfung des außerparlamentarischen Widerstands unter das staatliche Gewaltmonopol“.

Wolf plädierte heftig für die Tolerierung eines SPD -Minderheitssenats. Für eine Koalition bestehe wegen der Unterschiedlichkeit der Partner „keine Grundlage„; sie werde in einem „Desaster“ enden. Es gebe keine gesellschaftliche Mehrheit in der Stadt für rot-grüne Politik. Mit der SPD sei nur sozialdemokratische Politik mit grünen „Tupfern“ möglich; die AL werde „zur Legitimation bestehender Verhältnisse“ benutzt. Er wies auf den kommenden 1.Mai als mögliche „Nagelprobe“ hin, falls es dabei zu gewalttätigen Auseinandersetzungen komme. Beide Partner müßten einen „eigenständigen Handlungsspielraum wahren“ - dies ginge am besten in einer Tolerierung, die beiden Parteien ihre Unterschiedlichkeit erhalte, erklärte Wolf.

Birgit Arkenstette hofft, daß die AL beim „Essential-Papier endlich“ entsetzt aufwache und eine inhaltliche Diskussion beginne. Sie habe von den Verhandlungen nicht mehr erwartet. Sie verdeutlichte ebenfalls: „Das staatliche Gewaltmonopol ist mit diesem Papier von der AL nicht anerkannt.“

Die „Homogenisierung“, die die SPD verlange, sei falsch, betonte auch Michael Stamm. Wer für eine Koalition sei, der „läutet die Todesstunde für jede künftige rot-grüne Option ein“, weil diese in Berlin nur scheitern könne. Jürgen Reents sah das „Essential-Papier“ von einer „gemütlichen Harmonie“ geprägt. Lediglich die Bundestagsabgeordnete Imma Hillerich hielt das Einigungspapier „durchaus für eine Grundlage grüner Politik“. In einer Tolerierung sieht sie die Gefahr, daß die SPD sich alle Erfolge anheftet und die AL nur für die Schuldzuweisungen herhalten dürfe.

Neben einer Debatte um den gesellschaftlichen Umbau der BRD beschäftigte sich das Linke Forum auch mit der Urabstimmung in der Partei. Daran werde man sich nicht mit einem eigenen Strömungsmanifest beteiligen, weil die Urabstimmung die inhaltlichen Probleme der Grünen nicht lösen könne. Man werde jedoch ein nicht zur Abstimmung gedachtes Positionspapier erarbeiten. Die Nominierung der KandidatInnen für den Parteitag Anfang März in Duisburg war bis Redaktionsschluß noch nicht abgeschlossen.

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