: Christdemokratisches Bäumchen-wechsel-dich
Parteichef De Mita tauscht Platz mit Forlani / Italiens Democrazia Cristiana wählt auf ihrem Parteitag die schlechteste aller Lösungen - den „Propaganda-2-Vertuscher“ / Forlani startet sein neues Amt als geübter Blockierer ■ Aus Rom Werner Raith
„Meinst du“, fragt der griechische Kollege neben mir, „daß man da auch mal mitpfeifen kann?“ Es steckt regelrecht an; als gelte es, einen totalen Operndurchfall zu begleiten, brüllen und trampeln die zwanzigtausend auf dem Parteitag der Democrazia Cristiana (DC) im heillos überfüllten Sportpalast zu Rom: Derartige Tumulte hat man bei Kongressen der großen Parteien seit dem Kampf um die „Öffnung nach links“ in den sechziger Jahren nicht mehr erlebt. Ein Redner braucht nur leise den Namen des designierten neuen Parteichefs Forlani auszusprechen, schon bricht der Proteststurm wieder los. Noch nie hat sich ein Parteiführer in spe derartigen Unmut zugezogen - „und das“, wie der mit Ovationen überschüttete scheidende DC-Sekretär und derzeitige Ministerpräsident Italiens, Ciriaco De Mita, sagt, „wo doch die Nominierung nur eines Kandidaten die Zerreißprobe der Partei vermeiden soll“.
Ganz sicher ist freilich nicht, ob das bei der für Mittwoch vorgesehenen Wahl alles so reibungslos klappt, auch wenn der linke Parteiflügel - aus dem De Mita stammt - am Sonntag nach einer programmatischen Rede Forlanis auf die Nominierung eines Gegenkandidaten verzichtet hat: „Kalte Wut“ packt noch immer so manchen Delegierten wie den Mitarbeiter des 1978 ermordeten Aldo Moro, Guido Bodrato, „wenn man sieht, wie die Parteifürsten einen erfolgreichen Chef nur abschießen, weil er ihnen zu erfolgreich ist“. Daß die „Azione popolare“, das „große Zentrum“ um den oft camorristischer Umtriebe verdächtigen Innenminister Antonio Gava die Kandidatur ihrer Marionette De Mitas auf das einflußlose, bisher von Forlani eingenommene - Amt des Parteipräsidenten verzuckern will, ist den auf Parteierneuerung bestehenden Linken kaum ein Trost: Sie sehen De Mita bereits so geschwächt, daß er auch als Ministerpräsident nicht mehr lange wird durchhalten können. Erneuerungsexperimenten, wie die von De Mita gestützte Koalition von antimafiosen Christdemokraten um Bürgermeister Leoluca Orlando mit Grünen und Linksunabhängigen in Palermo, wird Forlani, da sind die Linken sicher, bald den Hahn abdrehen.
In buchstäblich letzter Sekunde hatten sich die Häuptlinge der sieben derzeit innerhalb der Partei herrschenden Strömungen am Freitag noch auf einen Parteisekretär geeinigt - und, wie der Großteil der italienischen Presse findet, auf den miserabelsten aller Kandidaten: „Guck mal, wer wieder da ist“, betitelte 'La Repubblica‘ ihre Ankündigung der für Mittwoch oder Donnerstag vorgesehene Wahl Forlanis.
Tatsächlich ist der aus Pesaro an der oberen Adria stammende Forlani nicht sonderlich gut in Erinnerung, seit er 1981 als Ministerpräsident den schlimmsten Skandal der Nachkriegszeit zuzuschütten versuchte: die Aufdeckung der kriminellen Geheimloge „Propaganda2“. Darin hatten sich an die tausend Politiker (darunter zwei Minister und drei Staatssekretäre), Militärs, Geheimdienstler, Finanziers, Medienzare und internationale Gauner aller Art zusammengetan, um sich gegenseitig zu fördern, vor allem aber um Italien entschieden nach rechts zu verschieben. Forlani mußte unrühmlich zurücktreten.
Auch politisch steht Forlani für eher trübe Kapitel. Als er von 1969-73 schon mal DC-Chef war, schuf er die berühmte „Programm-Präambel“, die der damaligen Mitte-Links-Koalition (Christdemokraten und Sozialisten) strikt jeden Dialog mit den Kommunisten verbot. In der Regierung des Sozialisten Craxi (1983-87) hatte Forlani, als stellvertretender Ministerpräsident, wiederum die Funktion, als „ständiger reitender Bote“ (Journalistenspott) zu verhindern, daß sich Sozialisten oder De Mitas DC auf Techtelmechtel mit den Kommunisten einließen.
Seine Programmrede vom Sonntag hat bestätigt, daß er auch diesmal als Blockierer antritt: Sämtlichen dringend notwendigen Verfassungs- und Gesetzesreformen hat er bereits Absagen erteilt, den Ausschluß der Kommunisten und Linksabweichler in anderen Parteien als Grundprinzip verkündet. Zu ködern versucht er das der Partei immer mißtrauischer gegenüberstehende Christenvolk mit Schlagworten wie: „Die Mitsprache aller Parteigliederungen wird der zentrale Punkt meiner Politik.“ Doch das bedeutet angesichts der Durchmischung der DC vor allem in Unteritalien und Sizilien mit mafiosen und anderen kriminellen Elementen im Klartext keineswegs eine Ausweitung der Demokratie, sondern vielmehr eine Wiederaufnahme der von De Mita zumindest teilweise blockierten Einflüsse verschiedenster Dunkelmännern auf die Regierungsentscheidungen - und genau das ist denn auch die Linie, die sowohl das „Zentrum“ um den schillernden Gava wie auch die schlitzohrigen Gefolgsleute des oft in Mafianähe geratenen Außenministers Andreotti erhoffen.
So hat selbst das DC-Fußvolk wenig Hoffnung, daß diesmal Besseres herauskommt, wenn Forlani die DC wieder „führt“: Als der Tagungspräsident Amintore Fanfani bei den Pfiffen für den Neu-Alten tadelte, man könne doch nicht protestieren, bevor man wisse, was der sagt, rief die Aula im Chor: „Lo sappiam‘, lo sappiam'“ - „Wissmer schon, wissmer schon.“
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