: Namibias Interimsregierung legt die Arbeit nieder
Opposition fürchtet die einmonatige Alleinherrschaft des südafrikanischen Generaladministrators: Gesetze im Interesse des Apartheidstaates könnten eingeführt werden / Wahlgesetze sollen Swapo benachteiligen / UNO-Finanzkomitee genehmigt Etat ■ Aus Johannesburg Hans Brandt
Die sogenannte Interimsregierung in Namibia, die im Juni 1985 von Südafrika eingesetzt worden war, hat gestern ihre Arbeit niedergelegt. Damit hat der Apartheidstaat den ersten Schritt im Abbau seiner Verwaltung in der letzten Kolonie Afrikas getan. Mit Beginn des UNO-Friedensplanes für Namibia am 1. April wird der südafrikanische Generaladministrator (AG) Louis Pienaar das Territorium zusammen mit dem UNO -Sonderbeauftragten für Namibia, Maarti Ahtisaari, verwalten. Bis zu diesem Zeitpunkt aber wird Pienaar wieder die Alleinherrschaft in Namibia übernehmen. Oppositionsvertreter befürchten, daß Südafrika den März ausnützen könnte, um verschiedene Gesetze einzuführen, die den Unabhängigkeitsprozeß im Sinne Südafrikas beeinflussen und einer zukünftigen Regierung große Schwierigkeiten bringen könnten.
„Der AG kann nach eigenem Belieben Gesetze verabschieden“, sagt David Smuts, oppositioneller Rechtsanwalt aus Namibias Hauptstadt Windhuk.
Dem in der Resolution 435 enthaltenen UNO-Plan zufolge muß der AG eine Reihe von Sicherheits- und diskriminierenden Gesetzen abschaffen, um so freie und faire Wahlen zu ermöglichen. Smuts warnt, daß der AG eine Reihe dieser Gesetze - neu formuliert - wieder einführen könnte. „Es gibt Gerüchte, daß ein Gesetz gegen Einschüchterung in Betracht gezogen wird“, berichtet er. Dieses könnte genutzt werden, um Opponenten Südafrikas anzuklagen und während des Wahlkampfes in lange Gerichtsverfahren zu verstricken. „Der Generaladministrator wird die ganze Registrierungsgesetzgebung schreiben müssen und dann das Wahlgesetz“, bestätigt Erik Blumer, Sprecher des südafrikanischen Statthalters. Bei der Registrierung von Wählern hat es nach Angaben der namibischen Befreiungsorganisation Swapo schon jetzt Unregelmäßigkeiten gegeben. Angeblich werden angolanische Unita-Rebellen von den Südafrikanern mit namibischen Ausweisen ausgerüstet. Sie sollen gegen Swapo stimmen. Auch das Wahlgesetz könnte die Swapo benachteiligen. „Es wird überlegt, das Wahlalter von 18 auf 21 Jahre zu erhöhen“, sagt Ignatius Shihwameni, Generalsekretär der namibischen Schülerorganisation Nanso. „Das würde eine Beteiligung der Jugendlichen ausschließen, die eine eher radikale Politik vertreten.“ Damit könnte sich Shihwameni zufolge die Zahl der Wähler um bis zu 25 Prozent reduzieren. Blumer bestätigt, daß es über das Wahlalter Diskussionen gegeben hat. „Im UNO-Plan ist von 'Erwachsenenwahlrecht‘ die Rede. Im südafrikanischen Gesetz gelten erst 21jährige als Erwachsene.“ Die Swapo habe jedoch sogar ein Wahlalter von 16 Jahren erwähnt. „Da hat der Generaladministrator dann gesagt, daß über das Alter verhandelt werden muß.“
Neben der Änderung des Wahlgesetzes ist von der Privatisierung bestimmter Bereiche der namibischen Verwaltung die Rede, so z.B. im öffentlichen Verkehr, im Postwesen oder in der Gesundheitsversorgung. Die Opposition ist besorgt, daß diese Dienste von südafrikanischen Geschäftsleuten übernommen und von einer zukünftigen Regierung nur schwer kontrolliert werden können. Es wird außerdem befürchtet, daß der GA die Gehälter von Beamten stark erhöht. Eine neue Regierung könnte solche Gehälter nicht weiterzahlen, was zu Unzufriedenheit im Verwaltungsapparat führen würde. Die Auflösung des Militärapparats, der von Südafrika eingeführt worden war, bedeutet indessen nicht etwa die Entlassung der Soldaten. „Die werden irgendwo anders im Verwaltungsapparat untergebracht“, sagt Blumer.
Indessen hat das Finanzkomitee der UNO-Vollversammlung am Dienstag nach langem Tauziehen den Etat von 416 Mio. Dollar für den UNO-Einsatz in Namibia bewilligt. Die Zusage der Vollversammlung wurde gestern erwartet. Der Übereinkunft zufolge soll es der UNO lediglich in den ersten Wochen erlaubt sein, Waffen und Erdöl in Südafrika einzukaufen.
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