: Kita-Plätze in Mogelpackung
■ Personalräte kritisieren Sonderprogramm für neue Kindergarten-Plätze: Gruppen werden größer, Arbeitsbedingungen schlechter / Kita-Mitarbeiter fürchten „pädagogischen Pfusch“
März ist Kindergarten-Monat. Wenn die ersten warmen Tage kommen, draußen die Bäume ausschlagen und in den Supermärkten die ersten Schokoladeneier auftauchen, verdichtet sich alljährlich in Bremer Kindertagesstätten die Erkenntnis: Auch in diesem Jahr werden die Plätze nicht ausreichen.
Vorsorglich hat Sozialsenator Henning Scherf deshalb schon im Februar ein Sonderprogramm zur Schaffung neuer Kita -Plätze angekündigt. Nachdem seine Behörde im letzten Jahr noch 1.400 Absagen verschicken mußte, versprach Scherf vor 14 Tagen 35 neue ErzieherInnen und 440 neue Kita-Plätze. PersonalrätInnen und HeimleiterInnen hörten's mit Freude und entdeckten: eine Mogelpackung.
Die Hälfte der vollmundig versprochenen 440 Zusatz-Plätze will Scherf nämlich mit einem ganz simplen, pädagogisch nach Ansicht der Personalräte aber unverantwortlichen Trick schaffen:
In alle bereits existierenden Kita-Gruppen soll einfach ein Kind mehr aufgenommen werden. Behörden-Devise: Wo schon jetzt 20 Kinder krabbeln, fällt das 21. sowieso kaum noch auf. Kita-Mitarbeiterinnen sehen das allerdings ganz anders. Sie lehnen eine weitere Vergrößerung der jetzt schon überfüllten Gruppen ab. Personalrätin Ilse Grunewald: „Wir lassen es nicht zu, daß uns immer schlechtere Arbeitsbedingungen zu Pfuscharbeit zwingen.“
Aber auch für die rund 250 verbleibenden Zusatzplätze sehen die Mitarbeiter schwarz. Für sie gibt es mit den 35 neuen ErzieherInnen zwar wirklich zusätzliches Personal. Nur wo die neuen MitarbeiterInnen mit ihren neuen Kindergarten -Gruppen spielen sollen, ist bislang völlig unklar. Die bestehenden Kitas platzen schon jetzt aus allen Nähten, die Suche nach zusätzlichen Räumen - z.B. in leerstehenden Schulen - war schon in den vergangenen Jahren erfolglos. Es müßte also
tatsächlich neu- oder angebaut werden. Bis zum Start der neuen Gruppen am 1. August eine Illusion, glaubt Personalrats-Vorsitzender Rainer Müller.
Sauer sind die Personalräte auch über die vollmundigen Versprechungen ihres obersten Dienstherrn, wonach rund die Hälfte der neuen Kita-Plätze an Spätaussiedler- und Ausländerkinder vergeben werden sollen. Zwar sind sich die Kita-Mitarbeiter mit Scherf darin einig, daß Integration schon im Kindergarten anfängt. Allerdings, so die Argumentation der Praktiker, müssen sich Politiker ihre Prinzipien dann auch etwas kosten lassen. Personalrat Rainer Müller: „Ohne zusätzliches Personal, das sich um die speziellen Sprach-und Sozialprobleme von Aussiedlern kümmert, findet Integration nur auf dem Papier statt.“
Am Montag treffen sich Personalräte mit dem Sozialsenator, um über die strittigen Punkte zu verhandeln.
K.S.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen