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Hungerstreikende in Lebensgefahr

Hundert politische Gefangene in Südafrika haben Hungerstreik erneuert, um gegen die Verzögerung ihrer Entlassungen zu protestieren / Widersprüche um die Zahl der Freigelassenen  ■  Aus Johannesburg Hans Brandt

Zwei von etwa hundert politischen Gefangenen in Südafrika, die sich im Hungerstreik befinden, schweben inzwischen in Lebensgefahr. Der 26jährige Sandile Thusi, der in einem Krankenhaus Durbans behandelt wird, soll in die Intensivstation verlegt werden. Er kann nicht mehr mit einem Tropf ernährt werden, nachdem sich am Arm und an den Händen Entzündungen entwickelt haben. „Er läuft jetzt Gefahr, sich Gehirnschäden zuzuziehen“, sagt Diliza Mji, Präsident der oppositionellen Medizinervereinigung NAMDA. „Es könnte auch zur Erblindung kommen.“

Donsi Khumalo, ein führendes Mitglied der Gewerkschaftsföderation COSATU, verweigert im Zentralgefängnis von Pretoria auch die Aufnahme von Flüssigkeiten. Sein Zustand hat sich in den letzten Tagen rapide verschlechtert. Er kann den rechten Arm nicht mehr bewegen. Einer COSATU-Erklärung zufolge ist er jedoch entschlossen, seinen Streik fortzusetzen.

Einzelheiten über die Zahl der streikenden Häftlinge, die ohne Gerichtsverfahren festgehalten werden, variieren stark. Leon Mellet, ein Sprecher des Ministeriums für Recht und Ordnung, sagte gestern, 85 Häftlinge hätten am Montag den Streik wieder aufgenommen. Menschenrechtsgruppen sprechen von mindestens 100 Streikenden. Der erneute Streik richtet sich gegen die Verzögerungen bei der Freilassung von Häftlingen. Der Minister für Recht und Ordnung, Adriaan Vlok, hatte im Februar versprochen, eine „erhebliche Zahl“ politischer Gefangener freizulassen.

Über die Zahl der Freilassungen gehen die Angaben weit auseinander. Mellet zufolge hat Vlok in den letzten vier Wochen mindestens 500 Häftlinge freigelassen. Die südafrikanische Menschenrechtskommission (HRC) hat jedoch nur 260 Freilassungen bestätigt. Die HRC betont zudem, die große Mehrheit der Freigelassenen sei in ihrem Handeln stark eingeschränkt. Einige Leute werden in abgelegene Orte verbannt, andere sind nachts unter Hausarrest und dürfen ihre Heimatorte nicht verlassen. Politische Arbeit ist untersagt. Das Unterstützungskomitee für die Streikenden hat Vlok gewarnt, für den Hungertod eines Häftlings werde er verantwortlich sein. Der Minister wirft Oppositionsgruppen vor, den Streik „von außen koordiniert“ zu haben. Sie müßten die Verantwortung für Todesfälle übernehmen.

„Es gibt nur eine Lösung,“ sagt Helen Suzman, führender Abgeordnete der liberalen Progressiv-Föderalen Partei (PFP). „Alle Leute, die ohne Verfahren festgehalten werden, müssen freigelassen werden. Wenn sie sich eines Verbrechens schuldig gemacht haben, müssen sie angeklagt werden.“

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