: Theater des Volkes
■ Ein multikulturelles Unternehmen auf Reisen / Zirkus Busch-Roland ab Donnerstag in Bremen / Eisbären, Luftnummern und ein Schweineballett
Auf der Pressekonferenz gaben die Akteure eine kleine Kostprobe ihrer Künste. Die polnische Kapelle spielte „Valencia“, die spanischen Clowns trompeteten „Viva Espana“ . Dann wurde eine Artistin hypnotisiert und anschließend von zwei Männern in wenig hübschen rosa Anzügen mit Nacken und Ferse auf zwei Schwertspitzen gelegt. Das war schon zum Weggucken, aber zu meiner Verblüffung zog ihr Partner das Fersenschwert aus der Verankerung, und die Frau schwebte, nur noch im Nacken gehalten, waagerecht in der Luft.
Um den großen Tisch saßen die ArtistInnen und applaudierten Beifall. Es gab Kaffee, Schweinebraten, Salat und Zwiebelbrot; Sätze in allen europäischen Sprachen flogen durch die Luft; die Presse wurde zur Hochzeit des türkischen Liliputaners eingela
den, der nächste Woche in Bremen heiraten wird; Kinder übten mit dem Reifen. Das wirkte wie die improvisierte Geburtstagsfeier für einen Freund und war doch nur eine Pressekonferenz.
Der Zirkus Busch ist der älteste Europas. Seit 1884 betrieb er in Berlin in einem festen und schönen Haus sein „Theater des Volkes“. 1963 fusionierte er mit dem Bremer Zirkus Roland und hat seitdem die halbe Welt bereist: den Ostblock und die romanischen Länder, Ceylon und natürlich Luxemburg: Ein großes multikulturelles Unternehmen mit 110 Beschäftigten aus 18 Ländern, von denen die meisten fünf oder sechs Sprachen sprechen. Die Zirkussprache aber ist Deutsch, bei Busch-Roland wie überall in der Welt.
Der Direktor Heinz-Geier Busch ist offensichtlich stolz auf
sein Programm: Natürlich gibt es die Clowns mit der Pappnase, den riesigen Stiefeln und zu kurz geratenen Hosen. Natürlich gibt es die Zirkusprinzessin, die ihre Pferde durch die Manege dirigiert, und die Elefantenparade, pro Tier fünf Tonnen schwer. Obligatorisch auch die circensischen Flugnummern, die Trapezkünstler und Akrobaten. Aber „Busch-Roland“ bietet auch die größte Eisbärshow der Welt, 12 arktische Riesen, der größte von ihnen 800 kg leicht und dreieinhalb Meter groß. Und es gibt eine Exotenschau, in der Kamele, Lamas, Yaks und Steppenrinder einträchtig ihre Kreise drehen. Interessant ist das heimische Schweineballett, eine Choreographie für Haus- und Wildschweine, Tanz von Tieren also, die gemeinhin für viel zu dämlich gelten, um überhaupt ein Kunststück zu be
greifen. Dabei sind auch vier Kodiac-Bären. Das sind die, die im Kinder-Lieblingsfilm „Der Bär“ durch wunderschöne Landschaften tapsen: Kino live bei Busch-Roland.
Alle anwesenden ArtistInnen wurden vorgestellt: Yasmine Smart aus England und ihr belgischer Ehemann. Aura & Gheorghe aus Rumänien. Ursula Böttcher aus der DDR. Die Les Rayers Sisters aus Spanien. Patatina, der Liliputaner aus der Türkei. Sicher keine große Familie, aber ein Unternehmen, das Ausländerfeindlichkeit, die in der Republik so sehr grassiert, nicht kennt.
FWG
Der Zirkus Busch-Roland gastiert ab Donnerstag in der Stadthalle. Vorstellungen tägl. um 15.00 und 19.30. Eintritt 19 (9) - 35 (25) DM.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen