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Demonstrationen für Zusammenlegung

Friedlicher Protest in Frankfurt: Mehr als 1.000 TeilnehmerInnen auf der bundesweit größten Demonstration / Kurzfristige Festnahmen während der fünfstündigen Marathondemonstration / Weitere Demonstrationen in Bielefeld, Berlin, Nürnberg, Münster und Aichach  ■  Aus Frankfurt Miriam Carbe

Die Polizei wollte einen kleinen aggressiven Chaotenhaufen und bekam ihn, wenn auch nur in den Medien. „Rund 400 Demonstranten wollten heute in Frankfurt den Hungerstreik der RAF-Häftlinge unterstützen“, meldete 'HR Eins‘ am Samstag abend: „Bei der Abschlußkundgebung in Bornheim kam es zu Zusammenstößen mit der Polizei.“ Das einzig Richtige daran war, daß es am Samstag tatsächlich eine Demonstration zur Unterstützung des Hungerstreiks gab. An der fünfstündigen Marathondemonstration nahmen rund 1.000 Menschen teil. Etwa 300 Polizisten sorgten gleich zu Beginn für eine gespannte Athmosphäre. Wegen „Mitführens gefährlicher Gegenstände“ und des „Versuchs, die Polizei zu überlaufen“ - so die Polizei-Pressestelle - wurden vier Menschen kurzfristig festgenommen. Sie hatten versucht, eine Absperrung zu umgehen. Es kam zum Schlagstockeinsatz. Der Demonstrationszug zum Preungesheimer Knast, wo die Angeklagten der Renault- und Startbahnprozesse und die hungerstreikende Ingrid Barrabas inhaftiert sind, ging mit lauten Sprechchören wie „Isohaft ist Folter, Isohaft ist Mord - Zusammenlegung jetzt sofort“ durch einen ruhigen Vorort.

Bei der ersten Kundgebung vor dem Männertrakt in Preungesheim zeigten sich etwa zehn Gefangene hinter den Gittern. Ihre „Freiheit, Freiheit!„-Rufe wurden von den DemonstrantInnen begeistert aufgenommen. Einer der Gefangenen hißte eine weiße Fahne. Ein an Ballons befestigtes Transparent mit der Aufschrift „Wir grüßen die Gefangenen“ stieg vor der Gefängnismauer empor und wurde mit lautem Beifall begleitet. Bei Sonnenschein und Musik aus dem Lautsprecher kam so etwas wie Straßenfeststimmung auf. Während die Frankfurter Fundi-Prominenz eifrig Grünen -Papiere verteilte, begannen die Reden. Einer der Besetzer der Landeszentrale der hessischen Grünen sprach von einer „Hinhaltetaktik des Staates und der Medien“ in bezug auf den Hungerstreik. Der Staat rechne damit, daß der Hungerstreik nach dem ersten Toten abgebrochen würde. Der Redner wies auf den beängstigenden Zustand von Christa Eckes und Karl-Heinz Dellwo hin und beklagte das mangelnde Engagement der Grünen. Der zweite Redner, ein Vertreter der Frankfurter autonomen Gruppen, sagte: „Wir müssen verschärft damit rechnen, wegen des 129a einzufahren.“ Dann käme es darauf an, Strukturen zu schaffen, in denen man mit allen Gefangenen, „den politischen, sozialen und drogenabhängigen“, zusammenarbeiten könne. Eine breite Mobilisierung für die Hungerstreikenden sei nicht genug, es müßten Initiativen ergriffen werden. Weitere Redebeiträge kamen von einer Vertreterin der autonomen Frauen und zwei Mitgliedern des türkischen und iranischen Widerstands. Nach Wiederholung der Kundgebung vor dem Frauentrakt zog die Demonstration in Richtung Innenstadt.

Trotz wiederholter Versuche der Polizei, sich zwischen die Reihen zu drängen, kam es zu keinerlei Rangeleien. Die DemonstrantInnen waren offensichtlich fest entschlossen, sich nicht provozieren zu lassen. Zur Zügelung der Polizei trugen dann wohl auch die zahlreichen Passanten am verkaufsoffenen Samstag bei. Bis ganz in die Innenstadt kam der Zug allerdings nicht. Um eine Konfrontation zu vermeiden, wurde die Abschlußkundgebung vorverlegt. Als die DemonstrantInnen in kleinen Gruppen auseinandergingen, sahen die Polizisten ihre Stunde gekommen. „Schwierigkeiten bei einer Festnahme“, röhrte ein Funkgerät, und mit einem Mal raste eine Hundertschaft die Straße entlang. Die erstaunten DemonstrantInnen und PassantInnen wurden zur Seite gestoßen: „Gehen Sie nach Hause.“ Die Festnahme entpuppte sich dann als bloße Überprüfung der Personalien. Eine echte Festnahme gelang den Polizisten später doch noch, als ein Knaller geworfen wurde. Wegen „versuchter schwerer Körperverletzung“ nahmen sie den Werfer mit, ließen ihn aber kurz darauf wieder frei.

Demonstrationen anderswo

Rund 300 DemonstrantInnen forderten am Samstag in der Berliner City bei einer Kundgebung die Zusammenlegung von RAF-Häftlingen in Großgruppen. Im Anschluß an die Veranstaltung, die ohne Zwischenfälle verlief, zog die Demonstration zum „Revolutionären Zentrum“, dem besetzten ehemaligen Arbeitsschutzmuseum an der Fraunhoferstraße in Charlottenburg weiter. In Bielefeld bekundeten rund 400, in Münster etwa 200 überwiegend junge Leute ihre Sympathie mit den Hungerstreikenden. Rund 300 DemonstrantInnen versammelten sich in Nürnberg vor der Lorenz-Kirche.

Ohne Zwischenfälle verlief gestern nach Angaben der Aichacher Polizei die Kundgebung zum RAF-Hungerstreik vor der dortigen Justizvollzugsanstalt. Bei strömenden Regen hatten sich knapp 200 Teilnehmer eingefunden. Im Aichacher Knast befindet sich Brigitte Mohnhaupt (39) seit dem 15.März im Hungerstreik. Am vergangenen Mittwoch schloß sich auch Claudia Wangersdorf dem Hungerstreik an. Bereits im Vorfeld der Kundgebung hatte der abgehalfterte Innenstaatssekretär Peter Gauweiler (CSU) Stimmungsmache betrieben und mit dem verschärften, bayerischen Polizeiaufgabengesetz gedroht, wonach vermeintliche „Störer“ nicht nur 48 Stunden, sondern 14 Tage hinter Gitter verschwinden können. An allen Zufahrtsstraßen Aichachs führte die Polizei scharfe Personenkontrollen durch.

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