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Streit zwischen Nord- und Südkorea Pfarrer Moon provoziert Seoul

■ Südkorea warnt Pjöngjang vor neuer Eiszeit / Dissidentenpfarrer Moon befürwortet Konföderation in Nordkorea / Opposition im Süden will Moon an der Grenze mit Demonstration empfangen

Seul (afp/taz) - Nordkorea hat der südkoreanischen Regierung mit seiner außerordentlichen Gastfreundschaft für Pfarrer Moon einen neuen Streitapfel gereicht. In einer öffentlichen Stellungnahme forderte die Regierung in Südkoreas Hauptstadt Seoul Pjöngjang auf, jegliche „politischen Manöver“ zum Schaden Seouls einzustellen, da sonst „ernsthafter Schaden“ für die gerade sich entspannenden bilateralen Beziehungen zu erwarten sei.

Auf eigene Faust hat sich der für seine Zivilcourage berühmte Dissident in den kommunistischen Norden aufgemacht, um die Verhandlungen über Wiedervereinigung in die eigene Hand zu nehmen. Am vergangenen Samstag wurde Moon bereits zum zweiten Mal von Nordkoreas Staatschef Kim il Sung freundschaftlich empfangen.

Im Zusammenhang mit der Kontroverse steht auch die für den 20. April geplante zweite Nordkorea-Reise des südkoreanischen Wirtschaftsmagnaten Chung Ju-Ma auf dem Spiel. In Nordkoreas Hauptstadt Pjöngjang veröffentlichte Moon unterdessen ein gemeinsames Positionspapier mit dem nordkoreanischen Komitee für eine friedliche Wiedervereinigung des Vaterlandes (CPRF), in dem beide Seiten einen Zusammenschluß Koreas als Konföderation befürworten. Damit wurde an der Position Kim il Sungs festgehalten, der für eine Konföderation der beiden Staaten unter Beibehaltung des jeweiligen politischen Systems bei gleichzeitiger Zusammenarbeit in den Bereichen Wirtschaft, Verteidigung und Kultur eintritt.

Trotz eines gesetzlichen Verbots kündigte Moon an, am Dienstag oder Mittwoch am Waffenstillstandsort Panmunjom in der entmilitarisierten Zone die Grenze nach Südkorea zu überschreiten. Mit einer großen Willkommensdemonstration beabsichtigt die Opposition den aufmüpfigen Geistlichen in Empfang zu nehmen.

Die Regierung drohte indessen bereits mehrfach, daß sie Moon wegen Verstoßes gegen die Sicherheitsgesetze verhaften und anklagen wolle. Daß sie es damit ernst meint, stellte die neu gegründete Sondereinheit aus Vertretern von Staatsanwaltschaft, Polizei, Militär und Geheimdienst bereits unter Beweis. Am Wochenende wurden vorerst die beiden Söhne Moons festgenommen und mit einer Hausdurchsuchung behelligt. Wegen ihrer angeblich pronordkoreanischen Aktivitäten ist zudem am Montag Haftbefehl gegen zwei bekannte südkoreanische Bürgerrechtler erlassen worden. Dissident Lee Jae Oh und der Schriftsteller Koh Un hätten mit ihrem Versuch, innerkoreanische Gespräche zu organisieren, ebenfalls gegen das Gesetz zur Staatssicherheit verstoßen. Überdies wurde 23 weiteren führenden Bürgerrechtlern verboten, das Land zu verlassen.

Der siebzigjährige Priester Moon erfreut sich unter der südkoreanischen Opposition großer Beliebtheit und wurde wegen seines Bekenntnisses zur Gewaltfreiheit oft mit Gandhi verglichen. Sein politisches Engagement begann 1975, nachdem der damalige Staatschef Park Chung Hee einen mit Moon befreundeten Journalisten umbringen ließ. Nach der brutalen Niederschlagung des Aufstands von Kwangju radikalisierte sich Moon und stellte sich hinter die zentralen Forderungen der politischen Opposition nach „Befreiung und Vereinigung“. Als Vorsitzender der „Mintongnyon“ (Volksbewegung für Demokratie und Vereinigung), einer Allianz von über 20 parteiunabhängigen Organisationen aus allen Bereichen der Gesellschaft (Schriftsteller, Studenten, Professoren; Bauern, Kirche, Frauen) hatte er wichtige Koordinationsfunktion. Seine Arbeit in der Hafenstadt Inchon brachte ihm schließlich eine dreijährige Haftstrafe wegen Aufwiegelung ein. Schon zu Beginn des Prozesses im Jahre 1986 beklagte sich der Methodistenpriester, nur wegen „Aufwiegelung“ belangt worden zu sein, während andere Regimegegner wegen „Verstoßes gegen das Nationale Sicherheitsgesetz“ wesentlich strenger bestraft worden seien.

Jetzt scheint jenes kühne Plädoyer für „Gerechtigkeit“ Gehör zu finden.

SL

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