: Halbes Freizi den Mädchen
■ Im Jugendfreizeitheim „Thedinghauser Straße“ gibt es schöne Pläne, Mädchen mit kleinen Kindern Arbeit und Orientierung zu geben / Arbeitsamt legte Pläne „auf Eis“
Sie heißen Leila und Nazire, Martina und Stefanie. Sie sind um die 19 Jahre alt und haben fast alle kleine Babies auf dem Arm. Im Jugendfreizeitheim „Thedinghauser Straße“ in der Bremer Neustadt haben sie sich zu insgesamt 18 Mädchen und jungen Frauen angemeldet zu einem Kurs, den sich zwei Freizi -Frauen eigens für sie ausgedacht haben. Und den das Arbeitsamt schon einmal abgelehnt hat.
Vorausgegangen sind zwei einjährige Maßnahmen, in denen die Mädchen ihren Hauptschulabschluß nachmachen und gleichzeitig ABM-Geld verdienen, tischlern lernen und ein Mädchencafe im Freizi einrichten konnten.
Schon für die zweite „Maßnahme“ gab es keine ABM-Mittel mehr, sondern nur noch die knausrige, elternabhängige „Be
rufsausbildungsbeihilfe“. Und das neue Projekt, für das sich auch die Mitarbeiterin der Gleichstellungsstelle Dr. Barbara Loer einsetzt, liegt derzeit ganz „auf Eis“. Dieses Projekt ist als Anschlußmaßnahme gedacht für all die Mädchen, die in den letzten beiden Jahren im Freizi ihren Hauptschulabschluß gemacht haben, aber danach keine Ausbildungs-und Arbeitsplätze fanden. Die Grundbedingung für die jungen Mütter wäre erfüllt: Sie könnten ihre Babies direkt im Freizi betreuen lassen und damit beruhigt in ihrer Nähe wissen. Der Kurs soll ihnen „Orientierung“ und „Erprobung“ bringen. Leila z.B. träumt davon, Damenschneiderin zu werden. Sie soll die Möglichkeit bekommen, sich in diesem Traumberuf umzusehen. Das Mädchencafe im Freizi soll in den Gartenbereich hinaus
ausgedehnt werden, die Mütter auf dem nahegelegenen Spielplatz dadurch zu einem Besuch im Gartencafe animiert werden, und der Mädchentrakt im Freizi bekäme eine eigene „Zuwegung“. Vom Arbeitsamts-Mitarbeiter Ohlrogge wurde der Antrag abschlägig beschieden, mit dem Argument, im Bezirk Süd gebe es bereits ausreichend Projektplätze. Freizi -Mitarbeiterin Gaby Schoppe frage bei den drei Projektträgern nach und bekam Plätze für höchstens drei Mädchen in Aussicht gestellt: Da die Maßnahmen erstens voll und zweitens hauptsächlich für Jungen (Maler/Metall) konzipiert seien.
Die vier Mädchen und jungen Mütter, die sich gestern im Freizi trafen, sind alle froh, wenn sie ohne Jungen ihren Kurs machen könnten. Nazire deutet auf ihren
einhüllenden Mantel: „Wenn hier Männer sind, muß ich den immer anbehalten.“ Leila ergänzt: „Dann muß sie auch aufpassen, daß die Ärmel nicht hochrutschen.“ Leila selbst, die bereits einen gemischten Holzkurs hinter sich hat: „Wenn ich was zusammenbauen und festschrauben wollte, sagten sie: 'Leila laß mal, wir sind stärker. Wir können die Schrauben fester anziehen.‘ Das hat mich gestört. Ich konnte das selbst.“
Martina sieht außer dem Mädchenprojekt für sich „keine Chancen - eigentlich gar nicht.“ Stefanie hat sich auf eine Zeitungsanzeige gemeldet. Sie überlegt, wenn das Projekt nicht doch noch genehmigt wird, sich Geld zu verdienen, indem sie ein anderes kleines Kind mitbetreut. Wo sonst könnte sie schließlich ihr Baby mithinnehmen.
B.D.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen