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Insel-Kultur auf dem Festland

■ Senator Franke stellt Konzept der „Kunstetagen am Deich 68“ vor, die die Neustadt an das metropolitane Treiben jenseits des Flusses ankoppeln soll

Als seinerzeit über die Bebauung der Teerhof-Insel in schönster zentraler Lage inmitten der Weser debattiert wurde, und man das wunderschöne Drittelkonzept ersann, nachdem den drei Lebensbereichen der Produktion (Gewerbe und Dienstleistungsbetriebe), der Reproduktion (Wohnen) und der Konsumtion (Kultur) jeweils ein Drittel des zu erstellenden Raumes zugestanden wurde, hatte der Bausenator, der vor allem teure Wohnungen für potente Steuerzahler dort sehen wollte, den Senator für Bildung, Wissenschaft und Kunst längst übers Ohr gehauen und der neuen Eignerin der Teerhof -Grundstücke, der Teerhof GmbH, Baugenehmigungen erteilt, die das kulturelle Drittel auf der Insel schlicht und einfach ausschlossen. Der rächte sich für den erzwungenen Wortbruch, indem

er aus dem Erlös der Teerhof-Grundstücke 2 Millionen loseiste, um in unmittelbarer Nähe, aber auf dem neustädtischen Festland, ein anderes Grundstück mitsamt Büro -und Lagergebäude zu kaufen.

Die Idee für die Nutzung dieses Komplexes als Alternative für die davongeschwommene Teerhof-Kultur hatte die „Planungswerkstatt“ entwickelt, die sich so gleichzeitig ihren eigenen Arbeitsplatz ausgedacht hat.

Angelehnt am Kulturkonzept des Nürnberger Kulturreferenten Hermann Glaser, das auch auf den Senator Franke einige Ausstrahlungskraft hat, soll hier eine Kulturwerkstatt entstehen, ein Zentrum in dem engagiert und

ambitioniert versucht wird, Kunst zu produzieren, die über die Beschränktheit der eigenen Atelierwände hinausschaut und - wirkt. Ein Zentrum, in dem die beteiligten Gruppen zusammenarbeiten und sich letztlich über die Abhängigkeit von der staatlichen Subventionsspritze erheben. Ein schönes Modell.

Die Gruppen, die die Kulturwerkstatt nutzen wollen, (bisher Breminale, Theater-Musik-Projekte, ganZeit, BBK, Schnürschuhtheater, Gedok und vier Ateliergemeinschaften) haben sich zum Trägerverein „Kunstetagen am Deich 68“ zusammengeschlossen und sollen nach der Umbauphase, in der die konzeptionelle und Koordinationsarbeit

in den Händen der „Planer werkstatt“ liegt, den ganzen Komplex in ihre Selbstverwaltung übernehmen. Wichtigstes Kriterium bei der Auswahl der Gruppen im Trägerverein ist die Kooperativität der Künstler, ihre Bereitschaft gemeinsam mit den anderen Gruppen im Projekt zusammenzuarbeiten und neue Konzepte auch auf dem Gebiet ihrer ästhetischen Arbeit zu entwickeln.

Finanzierbar wird der Umbau der Kulturwerkstatt am Deich dadurch, daß die findige Planerwerkstatt öffentliche Mittel aus Töpfen der Europäischen Gemeinschaft und des Bundes angezapft hat, und auch die Stadt Bremen durch andere als den Kulturetat beteiligt ist.

Sozialdemokratisches Konzept ist seit Glasers Vorschlag jedenfalls, verstärkt Konzentrationsbewegungen im Bereich der Stadtteilkultur zu fördern (also eher große Kulturwerkstätten als kleine Kulturläden) weil sich an solchen Zentren der Ruf einer Stadt als kulturell lebendige kristallisieren kann, und das dem Nutzungskonzept von Kunstförderung als Standortpolitik entspricht. Dabei müssen jedoch die Kulturläden nicht hintenrunterfallen, weil ihre Arbeit auf einer ganz anderen Ebene notwendig ist und sie in dieser Stadt noch nie lernen konnten, im Überfluß zu leben. ste

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