: Dublin liefert angebliches IRA-Mitglied Kane aus
IRA entschuldigt sich bei den Familien der Opfer des Bombenanschlags / Eine Tote und 31 Verletzte in Warrenpoint ■ Aus Dublin Ralf Sotscheck
Am Ortsausgang der nordirischen Grenzstadt Newry ist die Hauptstraße zwischen Belfast und Dublin am Donnerstag gesperrt. Britische Soldaten leiten den Verkehr auf eine kleine Landstraße durch die Mourne Berge. Eiserne Bodenwellen zwingen dazu, im Schrittempo zu fahren. Jenseits der Grenze hat ein großes Aufgebot an südirischer Polizei in Kampfanzügen die Straße nach Belfast bereits seit Mittwoch nachmittag abgesperrt. Irische Soldaten durchsuchen die Felder und Hecken nach versteckten Bomben. Auf der 80 Kilometer langen Strecke nach Dublin sind noch mehrere Straßenkontrollen der Polizei.
Dieser Aufwand gilt dem 33jährigen Paul Anthony Kane, der am Donnerstag nach Nordirland ausgeliefert wurde. In der Vergangenheit gab es Spannungen zwischen London und Dublin, weil irische Gerichte wiederholt Auslieferungsanträge Großbritanniens zurückgewiesen hatten. Kane war 1983 aufgrund der Aussage eines bezahlten Kronzeugen von einem nordirischen Gericht wegen Mitgliedschaft in der Irisch -Republikanischen Armee (IRA) verurteilt worden. Im selben Jahr brach er zusammen mit anderen aus dem Gefangenenlager Long Kesh bei Belfast aus. Drei Jahre später wurde er erneut verhaftet. Zwar war das Urteil wegen der Unglaubwürdigkeit des Zeugen aufgehoben worden, aber man lastete Kane inzwischen den Gefängnisausbruch an. Bis zur Verhandlung wurde er gegen Kaution auf freien Fuß gesetzt. Kane tauchte in der Republik Irland unter. Dort wurde er im November 1987 verhaftet, wegen eines fehlerhaften Auslieferungsantrags wieder freigelassen, abermals verhaftet, gegen Kaution freigelassen und noch am Ausgang des Gerichtsgebäudes aufgrund eines „provisorischen Haftbefehls“ zum dritten Mal verhaftet - und das alles innerhalb von 24 Stunden. Sein Abtransport aus dem Portlaoise-Gefängnis im Süden Irlands wurde von einer Straßenschlacht zwischen Polizei und Auslieferungsgegnern begleitet. Auch an der Grenze hatten sich Hunderte von Demonstranten eingefunden. Doch die Inszenierung der Sicherheitskräfte erwies sich als Finte: Kane wurde per Hubschrauber über die Grenze gebracht. Noch am selben Abend erhob ein Belfaster Gericht in 17 Punkten Anklage gegen ihn.
Kane kann nicht mit einem milden Urteil rechnen. Durch den Bombenanschlag vom Mittwoch, bei dem eine 20jährige Frau getötet und 31 Menschen verletzt worden waren, ist die Stimmung in Nordirland weiter aufgeheizt worden. Kritik an IRA kommt auch aus den eigenen Reihen. Der Präsident von Sinn Fein, dem politischen Arm der IRA, Gerry Adams, drückte seine Bestürzung aus und sagte, er könne den Anschlag nicht billigen. Die Bombe galt dem Polizeirevier der nordirischen Grenzstadt Warrenpoint. Alle vier telefonischen Bombenwarnungen gingen jedoch erst ein, nachdem die Bombe bereits explodiert war. Die IRA gab in einer Presseerklärung am Donnerstag abend bekannt, daß die Bombe mit einem Zeitzünder ausgerüstet gewesen sei, der auf eine Stunde eingestellt war. Ein Mitglied der IRA-Einheit habe jedoch versehentlich einen zweiten Zündmechanismus in Gang gesetzt, der die Explosion bereits nach einer Viertelstunde auslöste. Dieser Mechanismus sollte eine Entschärfung der Bombe verhindern und reagierte auf Erschütterungen. Die IRA entschuldigte sich bei der Familie des Opfers und bei den Verletzten. Nach dem Anschlag vom Mittwoch sind in den letzten anderthalb Jahren 29 Menschen versehentlich von der IRA getötet worden. Sinn Fein muß mit Stimmenverlusten bei den in fünf Wochen stattfindenden nordirischen Kommunalwahlen rechnen.
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