: Veba-Chef: WAA-Vorstoß war „kein Alleingang“
■ Streit zwischen Energiewirtschaft und Politikern um Wackersdorf geht weiter / CSU protestiert erneut gegen das Ende der Baustelle in der Oberpfalz / Lambsdorff: Alles ist offen / 6.000 demonstrieren am Bauzaun und jubeln: „Die Ratten verlassen das sinkende Schiff“
Berlin (dpa/ap/taz) -Der Veba-Vorstoß zum Ausstieg aus Wackersdorf war kein Alleingang. Die Bundesregierung und die Parteivorsitzenden von Union, SPD und FDP waren von Anfang an über die Verhandlungen der Veba mit der französischen Aufarbeitungsfirma Cogema informiert. Er wäre „ja bescheuert“, sagte Veba-Chef Benningsen-Foerder am Samstag, wenn er einen solchen Schritt ohne vorherige Abstimmung mit der politischen Ebene unternommen hätte.
Benningsen-Foerder machte erneut Stimmung für ein Ende in Wackersdorf. Die Wiederaufarbeitung in La Hague bedeute eine Investitionsersparnis von sechs bis sieben Milliarden Mark und werde sich spürbar auf die Strompreise auswirken. Zudem sei die Anlage UP3, in die sich die Veba zu 49 Prozent einkaufen will, „so gut wie fertig“ und könne wohl noch in diesem Jahr angefahren werden. Wackersdorf werde im Gegensatz zu früheren Planungen nicht mehr benötigt.
Einer Sowohl-als-auch-Lösung, wie sie von der Bundesregierung am Freitag vorgeschlagen worden war, machte Benningsen-Foerder eine deutliche Absage. Wenn die Bundesregierung an Wackersdorf festhalte, habe die Kooperation mit Frankreich kaum mehr eine Chance.
Unter dem Motto „Die Ratten verlassen das sinkende Schiff Baustopp sofort“ demonstrierten am Sonntag rund 6.000 Demonstranten am Bauzaun in Wackersdorf. Die Oberpfälzer Bürgerinitiativen wollten mit der Kundgebung deutlich machen, daß nicht nur eine Wiederaufbereitungsanlage, sondern auch ein Zwischenlager und die Brennelementefabrik nicht durchsetzbar sind. Der Widerstand werde mit ungebrochener Kraft fortgesetzt, versprachen Landrat Schuierer und der BUND-Vorsitzende Weinzierl.
Von der CSU kam auch am Wochenende anhaltender Protest gegen die geplante Schließung der WAA-Baustelle. Parteichef Waigel sagte, bei einem Ausstieg gingen Arbeitsplätze und technologisches Know-how verloren. Außerdem erhalte Frankreich dann ein Monopol, und es entstünden Abhängigkeiten. CSU-Generalsekretär Huber hält schon jetzt die Wackersdorfer Anlage für weit sicherer und technisch wesentlich besser als die Anlage in La Hague. In München sprach dagegen ein führender CSU-Funktionär gegenüber 'ap‘ offen vom „geordneten Rückzug“ aus Wackersdorf. Wenn die Energieversorger die WAA nicht bauen wollten, könne die Anlage nicht aus dem Etat des Kanzleramtes bezahlt werden.
Die Grünen diagnostizierten eine „anhaltende Konfusion in der Bundesregierung“, um die Zukunft der WAA. Das sogenannte nationale Entsorgungskonzept mit dem Herzstück WAA sei endgültig geplatzt. Ihrer eigenen, immer wieder propagierten Logik zufolge, müßten die Atomkraftwerke jetzt sofort abgeschaltet werden, da ein Entsorgungskonzept nicht mehr existiert, sagte der Abgeordnete Helmut Lippelt. Das hilflose Gestammel der letzten Tage zeige das ganze Dilemma. Wackersdorf sei weder technisch noch finanziell beherrschbar.
FDP-Chef Lambsdorff unterstrich am Wochenende seine Einschätzung, daß das Schicksal von Wackersdorf völlig offen sei. Der DGB forderte unterdessen in einem Brief an Ministerpräsident Streibl, die WAA in ein Forschungszentrum für Alternativtechnik umzumodeln. Dies schaffe mehr Arbeitsplätze und passe besser in die Region.
-man
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