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Viele Krawatten - wenig Stimmung

Eishockey-Weltmeisterschaft in Schweden / Die wahren Fans und die Stimmung bleiben draußen vor  ■  Aus Stockholm Herbert Neuwirth

Die Stockholmer Globe-Arena ist originell, schön und klasse für Eishockey geeignet. Nur eines fehlt in dem kugelrunden Bau: das richtige WM-Publikum! Von Eishockey-Fieber im Stadion keine Spur. Die Stimmung bei den Spielen war bisher, gelinde ausgedrückt, stark unterkühlt. Das liegt nicht an der fehlenden Begeisterung der schwedischen Eishockeyfreunde im allegmeinen. In der Globe-Arena sind einfach zu viele Schlipse und Anzüge zu sehen. Auf den Rängen tummeln sich Zuschauer, die nicht gerade als eingefleischte Eishockeyfreaks bezeichnet werden können.

Die finanzkräftigen Sponsorfirmen, die am Bau des Globe beteiligt waren, hatten mit Vorzugsrecht WM-Tickets erstanden und an wichtige Geschäftspartner weitergegeben. Das Publikum ist, besonders bei attraktiven Spielen, „auserlesen“ - durch geschäftliche Kontakte. Sportlich macht sich dieses System überhaupt nicht bezahlt, denn das Schlipspublikum ist träge - begeisterte Fans sind Mangelware. Die billigsten Karten für „Normalsterbliche“ kosteten im Vorverkauf 35 Mark. Den deutschen Fans, die nach Stockholm gereist sind, verkaufte man aber gleich mal die besseren Tickets für 75 Mark. Stehtribünen gibt es im Globe nicht. Aus Sicherheitsgründen eine löbliche Maßnahme, aber die Tickets sind einfach zu teuer...vor allem für die, die normalerweise Stimmung machen: Jugendliche und die treuesten Eishockeyfans.

Der wichtigste Anheizer bei der WM 89 sitzt deshalb nicht auf der Tribüne, sondern erscheint in den Breaks auf den riesigen Fernseh-Leinwänden der Halle. Ein gezeichneter Wikinger, das Maskottchen des Turniers, klatscht da in die Pranken. Nach dem Motto: Und jetzt alle mitklatschen!“

Doch auch dieser Zeichen-Trick hilft nichts: Von den Krawatten ist meist nur Stille zu hören. „Die Schweden sind ja selber schuld, wenn's do keine Heimatmosphäre schaff'n“, resümierte der bundesdeutsche Trainer Xaver Unsinn nach dem 3:3-Erfolg gegen das schwedische Drei-Kronen-Team. „Die klatsch'n ja nur, wenn des Männle kommt!“

Dabei hätten die amtierenden Weltmeister beim Spiel gegen das bundesdeutsche Team eine saftige Ladung Anfeuerung gebrauchen können. Der Druck ist riesig für die schwedischen Cracks. Die Fans - vor allem die, die keine Tickets für die Top-Spiele ergattern konnten - erwarten eine Medaille; insgeheim rechnet man sogar mit Gold. Das weiß jeder, vor allem der schwedischen Coach Tommy Sandlin. „Also, ich möchte nicht in den Hosen von Tommy stecken“, beurteilt Xaver Unsinn die Situation seines Kollegen. Doch der wehrte auf die Frage der taz ab: „Es ist mein Job, solchen äußeren Druck von mir fernzuhalten. Vor allem aber von den Spielern.“ Das war ihm bis zum überzeugenden vierten Spiel, dem 6:3-Sieg gegen Schwedens Angstgegner Finnland, allerdings nicht gelungen.

Durch Souveränität bestachen bisher nur zwei Mannschaften: Die UdSSR und vor allem die Kanadier, die immer lauter als Goldtip gehandelt werden. Sie spulten ihr Programm bislang tadellos ab, überraschten durch sehr disziplinierten Körpereinsatz, vorbildliche Technik und Taktik und durch nahezu perfektes Zusammenspiel - auch ohne Wayne Gretzky und Mario Lemieux. Dafür mit Steve Yzerman von den Detroit Red Wings. Zehn Stunden, nachdem Yzerman auf dem Stockholmer Flughafen Arlanda gelandet war, trat er gegen die USA an und glänzte mit drei Toren. „Bei uns ist das anders als hier in Europa“, klärte Kanadas Coach Dave King auf, „wir sind daran gewöhnt, schnell umzubauen.“

Auch ohne die drei noch erwarteten Profis Mark Messier, Anderson und Fuhr zeigten die Kanadier beim 8:2-Sieg gegen die deutschen Mannen, daß sie absolute Weltklasse sind, auch wenn den Deutschen nach dem Schweden-Match zahlreiche Konzentrationsfehler unterliefen. „Im letzten Drittel ist uns dann ganz die Luft ausgegangen“, so Unsinn. Zuerst müsse man Kanada ganz schnell vergessen. „Aber die ganz dicken Kaliber haben wir schon hinter uns. Da haben wir ja zwei Punkte geholt, damit sind wir sehr zufrieden. Und gegen die Amis haben wir auf alle Fälle eine Chance, wenn meine Spieler total konzentriert vorgehen.“

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