: Der „Fangkraft der Monopole“ entrinnen
■ Industriegewerkschaft Medien in Bremen gegründet / Drucker, Journalisten, Radiomacher, Theaterleute, Künstler und Artisten unter einem Dach / Begeisterung über Gegenmacht zu Medien-Multis wurde verlesen / Eigener Medien-Block am 1. Mai
Am 1. Mai werden Journalisten und Drucker, Tontechniker und Bildenden Künstler, Musikerzieher, Schauspieler, Schrifststeller und Artisten aus Bremen und umzu sich in einem eigenen Block in der Reederstraße zur Mai-Demo aufstellen. Damit wird die gestern neu gegründete „Industriegewerkschaft Medien“ (mit dem Untertitel: „Druck und Papier, Publizistik und Kunst“) erstmals öffentlich in Erscheinung treten. Und falls die vom Vorstand zur Mai -Kundgebung bestellten neuen Transparente nicht rechtzeitig fertig werden sollten, müßten die in der neuen Gewerkschaft versammelten „kreativen Kräfte“ zuvor noch gemeinsam zu Pinsel und Farbe greifen.
Rund 100 der 2.400 jetzt unter dem Begriff „Medien“ geeinten Gewerkschaftsmitglieder waren gestern zur Gründungsversammlung ins DGB-Haus gekommen. Sie gehörten bisher mit 1.700 Leuten zur IG Druck und Papier, die restlichen 700 entstammen der RFFU (Radio-, Funk- und Fernseh-Union) und der Gewerkschaft Kunst. Neben der Wahl von Vorstand, Beisitzern und Revisoren ging es gestern vor allem um eines: „Zukunft“.
Angesteckt von der Euphorie des nun zwangsläufig gesetzten Neuanfangs wurden zu Situationsbeschreibung und Perspektiven vor allem Walter Jens, wohl
bekanntestes Mitglied der jüngsten Gewerkschaft dieser Republik, und Detlef Hensche, bis zu deren Auflösung IG -Druck-Vorstand, bemüht: „Wir müssen Debatten und Diskussionen suchen und nicht Fragen stellen, auf die wir die Antworten schon bereithalten“ (Hensche) und: „Endlich haben sich Intellektuelle und Arbeiter, Produzenten und erfahrene Sachwalter auf dem Gebiet der Reproduktion, Männer und Frauen zusammengefunden, um der geballten Macht des Apparats, der Fangkraft der Monopole und der Herrschaft des großen Geldes die Erfindungskunst, den Einfallsreichtum und
-auch das! - die List von zweihunderttausend Leuten entgegenzustellen, die sehr genau wissen, daß, wenn es um Gedeih und Verderb der Allgemeinheit geht, die Macht der wenigen nur durch die Solidarität der vielen konterkariert werden kann“ (Jens).
Erste Diskussionen um eine Mediengewerkschaft gab es schon Anfang der fünfziger Jahre, Forderungen nach einer solchen gemeinsamen Interessenvertretung der Unterhaltungsindustrie schon seit 1970. Wenn nach langem Ringen um einen solchen Bund, nach heftigen Debatten, in denen sich einige Organisationen ganz oder nur zum Teil wieder ausgeklinkt haben und als prominentester Kritiker Günter Grass der zäh umkämpften Ge
werkschaft „Kartellstrukturen“ vorwarf, dann ist das Aufatmen jetzt auch in Bremen nachvollziehbar: „Der IG -Medien muß ein Neu-Anfang gelingen,“ kon
statierte gestern deren neuer Hauptvorstand Gerd Nies. „Der Kampf um Arbeits- und Lebensbedingungen muß zusammen geführt werden.“
Die Probleme im Medienbereich machten dies sichtbar. Journalismus diene den Verlegern fast nur noch als „Verpackung“ ihrer Ware „Anzeigen“ - gerade bei
zunehmendem und marktprägendem Privatfunk. Während die Gewerkschaften den Privatfunk bisher immer ablehnten, sei jetzt Umdenken gefordert, muß die IG Medien die Privaten zur Kenntnis nehmen und in den Diskussionsprozeß um ihren gesellschaftlichen Informationsanspruch anzumelden. Gegenrezept zur befürchteten Sinnentleerung in den Medien: Gewerkschaftlich und gesellschaftspolitisch getragene Qualifikationsanforderungen an den Journalisten: sprich tarifrechtlich festgelegte Aus-, Fort- und Weiterbildung.
Die Chancen der allumfassenden Mediengewerkschaft wollte der Sprecher der Bremer Schriftsteller, Thomas Frey, auf einen Punkt bringen: Die Möglichkeit zu nutzen, mit Künstlern und über die Betriebe hinaus „konkrete Projekte in die kommunalpolitische Landschaft zu setzen,“ um damit zum Beispiel auch Konzepte für eine Gegenkulturpolitik mitzuentwickeln.
Gerade durch die gewünschte Ausdehnung der Gewerkschaftsarbeit in die Freizeit - in Arbeitskreisen, Projektarbeit und Fachtagungen - ergäben sich neue Einflußmöglichkeiten. So hoffen auch die bisher an Tariffragen klebenden Musiklehrer der aufgelösten „Gewerkschaft Deutscher Musikerzieher und Konzertierender Künstler“ in ihrer neuen Gewerkschaft ihre gesellschaftspolitischen Ansprüche einbringen zu können. Die Bildenden Künstler wollen eine mehr „spielerische und phantasievolle Herangehensweise“ einbringen. Doch der einzige Funktionär der nun aufgelösten Artisten-Gewerkschaft der ins DGB-Haus gekommen war, schlug vor Druckern und Schreibtisch-Arbeitern gestern keinen Freuden-Salto.
Birgitt Rambalski
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