: Was ist grüne Kulturpolitik?
■ Auf der Suche nach der Grünen ART in Bremens / Eine kleine Umfrage unter Kulturschaffenden nach dem, was von der grünen Kulturpolitik ankommt / Die einhellige Antwort: „Nichts von gehört“
Was sozialdemokratische Kulturpolitik ist, ist leicht zu sagen: Da werden die großen „bürgerlichen“ Kulturtempel wie Theater und Konzert mit Millionen subventioniert, weil das zu einer großen Stadt gehört und immer so war. Daneben gilt die sozialdemokratische Vorliebe der „kulturellen Breitenarbeit“ vom Shanty-Chor über Ausländer-Kulturvereine bis zu den alternativen Stadtteil-Kulturläden, solange sie wenig kosten und auf ABM-Basis zufriedenzustellen sind. Neuerdings hat auch Bremens SPD aus CDU-regierten Metropolen gehört, daß Kultur ein Wirtschaftsfaktor sei kann; also wird gefördert, was die Hotelbetten zu füllen verspricht.
So, natürlich grob vereinfacht, sieht die Kritik der herrschenden Bremer Kulturpolitik aus, die in Kreisen enttäuschter linker Akademiker gepflegt und von den Grünen zum politischen Programm erhoben wurde. Mit einem „Hearing“ zur Kulturpolitik unter dem schönen Titel „Grüne ART“ will die alternative Partei ihren Kulturbegriff debattieren. In einer kleinen Umfrage unter
bremischen Kulturschaffenden wollten wir das Thema konkret aufgreifen: „Was ist grüne Kulturpolitik?“
Nena Bülle vom Literatur-Cafe Ambiente kann mit der Frage nicht recht etwas anfangen. Ihre Gegenfrage: „Gibt es überhaupt grüne Kulturpolitik?“ Das Publikum der Lesungen, die sie mit anderen im Ambiente organisiert, sei sichtbar angegrünt. Bei rein literarischen Lesungen kommen wenige, bei Lesungen mit leichtem politischen Anspruch - wie zuletzt mit Christian Geissler oder mit Klaus Theweleit ist das Literaturcafe voll. Vielleicht gäbe es sowas in der Bürgerschaft, grüne Kulturpolitik, spekuliert Nena Bülle, aber wer da für Kultur zuständig sein soll, ist nicht bis zu ihr gedrungen.
Helmut Plass organisiert im Lagerhaus Schildstraße kulturelle Veranstaltungen und den Kampf ums Überleben des alternativen Kulturzentrums. Grüne Kulturpolitik? „Nichts davon mitgekriegt“, sagt er, aber er sei ja auch erst seit einem dreiviertel Jahr dabei. Erwarten würde er sich eine sichtbare oder hörbare
Unterstützung der Projekteszene.
Ursula Menk ist Leiterin des Moks-Theater. Vor Jahren, erinnert sie sich, sei sie einmal eingeladen gewesen bei den Grünen. Seitdem hat sie nichts mehr gehört von den Grünen. Was Akzente grüner Kulturpolitik sein sollen, sei „schwer einsichtig“. Und: „Ich hatte gedacht, die interessieren sich nicht für Kultur.“
Anneke Garst organisiert das Piccolo-Theater, das nach Problemen im Packhaus ins Kubo umziehen mußte. Grüne Kulturpolitik? „Wir kriegen da eigentlich nichts von mit“. Sie weiß, daß die Grünen sich dafür einsetzen, daß auch kleinere Kulturinitiativen Gelder bekommen. Als
das Piccolo für den Umzug und Umbau des Kubo Gelder beantragte - das wurde „abgeschmettert wie immer“ - war aber niemand auf die Idee gekommen, die Grünen um Unterstützung des Anliegens zu bitten.
Gustav Gisiger ist im Vorstand der Trägervereins vom „Haus aam Deich“, das anstelle des Kultur-Zentrums auf dem Teerhof an kulturelle Initiativen preiswert vermietet wird. Bei den Auseinandersetzungen um dieses Haus haben sich die Grünen „nirgendwo eingeschaltet“, erinnert sich Gustav Gisiger. Er spielt in diversen Musik-Gruppen Trompete („mehr nebenbei“), hauptsächlich ist er Theatermann und bereitet derzeit ein Stück auf dem
Vulkan vor. Für die Abwesenheit von Kulturpolitik hat einen einfachen Grund: „Wenn wenig Geld da ist, ist auch wenig zu verteilen.“ Was er sich wünschen würde: Daß die Grünen wenigstens mehr auch „delikatere Kulturprojekte“ politisch unterstützten und sich nicht nur auf die Bereiche der gefälligen „Breiten-Kultur“ beziehen, „was die SPD auch macht“. Aber auch da versteht er die Grünen: „Die haben andere Probleme.“ Immerhin bezahlen sie die Plakate für die kulturelle Karneval-Veranstaltung.
Und zu allem Überfluß bekommt er, wie viele Bremer Kulturschaffende, regelmäßig Post: „Ich bin da irgendwie im Verteiler drin.“
K.W.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen