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Südafrika verhängt Todesurteil gegen ANC-Kämpfer

Drei Männer wurden wegen Mordes zum Tode verurteilt / Der vierte Angeklagte muß 25 Jahre ins Zuchthaus / Die Kämpfer hatten sich geweigert, am Prozeß teilzunehmen / Richter wollte mildernde Umstände gelten lassen / Beisitzer überstimmten Richter  ■  Aus Johannesburg Hans Brandt

Drei Kämpfer des Afrikanischen Nationalkongresses (ANC), Jabu Obed Masina (36), Frans Ting-Ting Msango (28) und Neo Griffith Potsane (27), wurden am Donnerstag für die Ermordung von zwei Polizisten, einem Homeland-Minister und dessen Schwägerin zum Tode verurteilt. Über einen vierten ANC-Kämpfer, Joseph Makhura (26), wurden 25 Jahre Zuchthaus verhängt. Die vier Angeklagten hatten sich geweigert, an dem Verfahren teilzunehmen oder sich zu verteidigen. In einer langen Erklärung behaupteten sie, Kriegsgefangene und nicht Verbrecher zu sein. Als Soldaten hätten sie Feinde in einem Krieg getötet und nicht zur persönlichen Bereicherung oder aus Rachesucht gemordet. Zu dem Mord 1978 an dem berüchtigsten Polizisten von Soweto, Orphan Chapi, hatten sie sich freiwillig bekannt. Die Polizei hatte sie dieser Tat nicht angeklagt.

Die Nichtbeteiligung der vier an dem Prozeß bedeutete, daß sie sehr schnell des Mordes für schuldig befunden wurden. Danach ist die Todesstrafe zwingend, wenn keine mildernden Umstände gefunden werden. Der Richter erlaubte ausnahmsweise, daß die Familien in diesem Zusammenhang aussagen konnten. Richter M. C. de Klerk befand daraufhin, daß die militärische Ausbildung der vier ihre moralische Einstellung zur Tötung von Polizisten verändert habe. Er war der Meinung, daß die von den Angeklagten verlesene Erklärung und ihre Aussagen gegenüber der Polizei zeigten, daß sie von politischen Faktoren beeinflußt wurden. „Die Angeklagten wurden nicht über Nacht Soldaten.“ Während ihrer drei- bis sechsjährigen Ausbildung hätten sie akzeptiert, daß die Tötung von Kollaborateuren zu rechtfertigen sei. Die Angeklagten betrachteten sich selbst „als Soldaten, die einen Krieg für Gerechtigkeit und Befreiung kämpfen“. Das könne als mildernder Umstand gelten. In dieser Ansicht wurde Richter de Klerk jedoch von seinen beiden Beisitzern überstimmt. Beide sind ehemalige Justizbeamte, der eine ein pensionierter Amtsrichter, der andere ein ehemaliger Beamter aus dem Justizministerium. Peter Harris, ein Anwalt der ANC -Mitglieder, nannte diesen Vorgang verblüffend. „Wie können zwei Beisitzer die wohlüberlegte und präzise Meinung eines Richters zurückweisen?“ fragte er.

Am Tag vor ihrer Verurteilung waren die vier in ANC -Uniformen vor Gericht erschienen. Obwohl das Verfahren absichtlich in der Stadt Delmas, 70 km von Johannesburg, stattfand, begrüßten zahlreiche UnterstützerInnen die ANC -Kämpfer. Auch das Urteil wurde von ZuschauerInnen mit den Rufen „Lang lebe Umkhonto we Sizwe“ („Speer der Nation“ Armee des ANC) und „Wir werden unsere Genossen nicht sterben lassen“ quittiert. Bislang ist noch unklar, ob die Männer ihre Nichtbeteilgung an dem Verfahren aufgeben und ihre Anwälten eine Berufung gegen das Urteil anordnen werden.

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