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„Euch machen wir fertig“

Der Fotoreporter des Wochenmagazins 'Nokta‘, Erzade Ertem, wurde während des Begräbnisses des 1.-Mai-Demonstranten Dalci krankenhausreif geschlagen  ■ I N T E R V I E W

taz: Was können Sie über das Begräbnis berichten?

Erzade Ertem: Am Anfang war alles sehr friedlich. Die Demonstranten riefen keine Parolen, es gab keine Transparente. Sie trugen nur Kränze und Fotos des Toten mit sich. Sie wollten friedlich von der Moschee zum Friedhof den Sarg begleiten. Dann wurde der Sarg von der Polizei entführt.

Es kam zu einem Handgemenge. Ohne Vorwarnung ging die Polizei mit Holzlatten, Gummiknüppeln und Tränengas gegen die Menge vor. Ich fotografierte von einer Anhöhe das Geschehen. Es war ein Bild des Grauens. Blutüberströmt wurden die Demonstranten am Boden geschleift.

Wie gingen die Polizisten vor?

Ich sah, wie ein Dutzend Polizisten den Kollegen von 'Milliyet‘, Sedat Aral, in ihre Mitte nahmen. Erbarmungslos schlugen sie auf ihn ein. Sein Ohrfell ist geplatzt. Fuat Kozluoklu von 'Cumhuriyet‘ wollte intervenieren. Er kam an die Reihe. Sie brachen ihm das Handgelenk.

Wenig später war ich an der Reihe. „Wir wissen ganz genau, was ihr über den ersten Mai geschrieben habt. Euch machen wir fertig“, schrie mich ein Polizei-Vorgesetzter an. Sechs Polizisten stürzten sich auf mich. Während ich am Boden lag, traktierten sie mich mit Knüppeln und Fußtritten. Es dauerte etwa zehn Minuten. Sie zielten immer auf den Kopf. Während der Prügel wurden mein Adreßbuch und mein Geld gestohlen. Ich wurde danach ins Auto gestoßen. „Laßt ihn laufen, der ist von einem großen Wochenmagazin“, wies ein Vorgesetzter seine Polizisten an.

Im Haseki-Krankenhaus war ich bei der Kardiologie. Dann haben sie eine Hirntomographie vorgenommen. Im Krankenhaus herrscht Elend und Durcheinander. Massen von Verletzten, die Kapazitäten reichen einfach nicht aus.

Interview: Ömer Erzeren

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