: Im Kino: Salomes letzter Tanz
■ küss mich oder ich köpf dich
„Ich werde Deinen Mund küssen, Johannes der Täufer“, verspricht da eine Dame in einem knappen blauen Kostüm, „ich werde Deinen Mund küssen“.
Der gute Johannes möchte aber gar nicht geküßt werden. Und schon gar nicht von der recht hinterhältigen Salome, die ihm immerhin vor ein paar Augenblikken noch ganz andere Dinge ins Ohr geflüstert hat. „Nicht die Brüste der erwachenden See ist so weiß wie Dein Körper“, waren vorher die süßen Mitteilungen der Tochter der Herodias. Als alles nicht wirkt, wird die junge Frau mit dem Silberblick drastisch. Kein Körper mehr, auch keine Küsse, der Kopf muß es sein.
Das hört sich skurril an? Die dazugehörigen Bilder sind es allemal. Ken Russell hat einen Film verbrochen, an dem sich wieder einmal die Geister scheiden. Zwischen Bockmist und herzerfrischender Groteske schwanken die Meinungen: Die Wahrheit liegt wie immer nicht in der Mitte. Entweder oder.
Salomes letzter Tanz ist der Originalstory des Exzentrikers Oscar Wildes entliehen. So nimmt es nicht Wunder, daß der irische Schriftsteller schon zu Beginn in seinem eigenen Stück auftaucht. Der bleichgesichtige Homme fatal stilisiert sich zum Zuschauer seiner selbst, indem er sich mit dem Geköpften Johannes identifiziert.
Ken Russell wäre nicht Ken Russell (Tommy, Boyfriend, Gothic), wenn in seinen Filmen nicht alles viel bunter und chaotischer abliefe, als es schiere Worte beschreiben könnten. Prächtige Kostümausstattungen, lederbestrapste Wächterinnen und goldhäutige Prinzen sind die Staffage dieser Inszenierung auf zwei Ebenen.
Denn die Salome ist eigentlich gar nicht jene meuchelnde Intrigantin, sondern eine Prostituierte. Herodes ist der Bordellbesitzer und das Ganze dient ohnehin nur der Belustigung der Mitwirkenden sowie der Selbsterkennung des Autors.
Salome, 1892 von Lord Chamberlain wegen seiner Zurschaustellung „liederlicher Leidenschaften“ verboten, ist eine Tragödie, um die Kurt Russell eine Komödie band. Bitterböse zuweilen und in seiner formalen Darstellung fast steril - trotz der erschlagenden Bilderfülle. Fast der gesamte Film spielt in einem kunstvoll auf Tausend-und-eine -Nacht getrimmten Raum, Außenaufnahmen gibt es nicht.
Ein ständiges Kommen und Gehen auf der improvisierten Bordell-Bühne erinnert stark an die verquere Typenwahl eines Frederico Fellini oder einer Ulrike Ottinger. Römische Söldner, entweder fürchterlich fett oder aber Body-building -gestylt, drei äußerst kleinwüchsige Juden, die als Karikatur so manchen Orthodoxen erzürnen werden, Glenda Jackson als Herodias mit einem Blick, der Diamanten zum Schmelzen brächte und einem Ende, das genauso schräg ist, wie die Geschichte selbst. Ein paar Polizisten mischen die Aufführung auf und nehmen die Hauptbeteiligten kurzerhand fest.
Ende der Show. Skurrilität läßt sich weder hochloben noch verdammen. Sie läßt sich nur erleben. Wer also Zeit hat,
23 Uhr in der Schauburg. J.F.Sebastia
Schauburg, 23 Uhr
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