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Anne Klein: Berlins Frauensenatorin über den Prozeßbeginn auf Zypern

DAS MONTAGSINTERVIEW von Helga Lukoschat

taz: Sie konnten Ute und Melanie Loh im Gefängnis von Nikosia besuchen. Wie geht es den beiden Frauen?

Anne Klein: Nach ihrer Verlegung vom Gefängnis Farmagusta nach Nikosia geht es den beiden besser, ich hatte Gelegenheit, über zwei Stunden mit den beiden zu sprechen. Die Haftbedingungen sind jetzt - relativ betrachtet - gut. Sie dürfen den ganzen Tag zusammen sein, auch nach draußen gehen, die Verpflegung soll auch halbwegs vernünftig sein. Ich hatte aber den Eindruck, daß sie immer noch deutlich unter dem Schock des Geschehenen stehen. Ich habe mit den Frauen abgesprochen, daß ich keinerlei Auskünfte gebe, zurückführbar auf üble Pressegeschichten, die ihnen nach Angaben der Anwälte sehr geschadet haben.

Bezieht sich das auf Artikel der hiesigen Presse?

Natürlich, die sind dann auch brühwarm nach Zypern transportiert worden. Diese Veröffentlichungen in der dortigen Boulevardpresse haben dazu beigetragen, daß sich die anfängliche positive Einstellung zu den beiden Frauen zu verändern begann. Darum haben sie mich auch gebeten, vorsichtig zu sein mit Äußerungen über die Gespräche.

Ihr Kommen war sicher für die beiden Frauen eine Unterstützung auf der persönlichen Ebene. Jetzt konnten Sie aber am Prozeßbeginn nur einen Tag lang teilnehmen. Was denken Sie: Haben Sie für die Frauen etwas erreichen können?

Wichtig für mich war, am Ort zu sein, um den Frauen zu signalisieren, daß sie nicht allein sind - im Gegenteil, sie kriegen Unterstützung von vielen Seiten. Darum waren auch die Frau vom Notruf und persönliche Freundinnen von ihnen anwesend. Am Ort war dann meine Intention, mich sachkundig zu machen, „ob alles in Ordnung ist“, also ausführlich mit den Anwälten zu sprechen. Die haben mir die Grundlagen der rechtlichen Beurteilung nach englischem Recht erklärt, haben mir das Problem mit dem Dolmetscher geschildert, warum das nicht so dramatisch ist, wie zuerst anzunehmen war. Und Kontakte mit dem Botschafter zu knüpfen, um zu sichern, daß die Frauen auch gut betreut sind. Mein Besuch ist dort intensiv begrüßt worden. Ich hätte nicht länger als einen Tag dort bleiben können - aus technischen Gründen. Ich wollte sehen, wie formaljuristisch dieses Verfahren abläuft. Es ist ein korrektes und detailliertes Verfahren - was die Zeugenvernehmung angeht und die Zeugenvernehmung durch den Staatsanwalt.

Wie hat das Gericht reagiert auf Ihr Kommen? Hier wurde ja befürchtet, daß Richter und Staatsanwalt Ihr Erscheinen als Einmischung empfinden. Haben Sie das gespürt?

Nein, überhaupt nicht. Ich hatte das gegenteilige Gefühl. Die Justizbeamten haben mich freundlich begrüßt und mir sogar Gelegenheit gegeben, mit den Frauen im Gerichtssaal zu sprechen. Ich hatte den Eindruck, man freute sich über die Menschlichkeit, die den Frauen zuteil wird.

Wie waren die Reaktionen der Presse? Es wird ja berichtet, daß es auch in Zypern Sex-and-Crime-Schlagzeilen gab. Wie haben die Journalisten auf Ihr Kommen reagiert?

Freundlich und zurückhaltend, im Unterschied zu den hiesigen Journalisten, die mich bedrängten, obwohl ich in meiner vorher abgegebenen Presseerklärung klar gesagt hatte, daß ich keinerlei Erklärung abgeben werde. Die dortigen Journalisten waren sehr zurückhaltend, haben gefragt, ob ich meinen Namen in die Presse geben wollte, oder auch, ob sie Fotos von mir machen dürfen, im Gegensatz dazu haben die auswärtigen Journalisten nicht gefragt. Es haben auch Journalistinnen aus Athen angerufen und wollten Interviews. Ich habe ihnen gesagt, daß ich am Ort nichts dergleichen tun werde. Sie fanden es aber sehr gut, daß ich von Berlin nach Zypern gereist bin.

Ihr ungewöhnlicher Schritt hat hier sehr viel Wirbel ausgelöst - ein Signal für eine neue Art der Politik. So lautete eine Frage: Ist es wirklich notwenig, daß Sie nach Zypern fahren, und können nicht immer wieder ähnliche Notsituationen auftreten, wo die Senatorin doch nicht persönlich losreisen kann? Hätte es nicht ausgereicht, eine Anwältin zu bevollmächtigen, die dann den gesamten Prozeß hätte dort verfolgen können?

Ich kann die Reaktion in der Öffentlichkeit nicht verstehen. Um ein Signal zu setzen, war es doch unabdingbar, daß ich persönlich fahre. Wie Sie wissen, haben wir doch in unserer Regierungserklärung das Thema Gewalt deutlich erwähnt, weil in den Koalitionsvereinbarungen auch zum Ausdruck gebracht wurde, daß die Frauenfrage, insbesondere die Gewalt gegen Frauen, ein sehr wichtiger Punkt in unserer Politik sein muß. Es kommt darauf an, daß dies auch parteiisch zum Ausdruck gebracht wird.

Wie ist der weitere Verlauf des Prozesses jetzt einzuschätzen? Glücklicherweise ist ja auch am ersten Prozeßtag die Mordanklage fallengelassen worden. Wie ist Ihre Prognose?

Schwer zu sagen. Ich habe trotzdem ein positives Gefühl ich habe fünf Zeugenaussagen miterlebt, bei denen es eine gewisse Steigerung gab. Die Zeugen konnten bei ihrer ersten polizeilichen Vernehmung nicht so ausführlich befragt werden, wie hier von Richter und Staatsanwalt. Beeindruckend war die Aussage des Nachbarn, zu dem die Frauen nach dem Vorfall gerannt sind, blutüberströmt. Dieser Nachbar hat sehr nachvollziehbar geschildert, wie aufgeregt die Frauen waren. Er hat auch berichtet, daß ihm die Frauen gesagt haben: Rennen Sie dorthin, vielleicht können Sie ihm noch helfen, vielleicht ist er noch nicht tot. Die Stimmung war in diesem Moment sehr berührt, und das Gericht hat sich sofort beraten und entschieden, daß jetzt nur noch auf Totschlag anzuerkennen sei.

Denken Sie auch, daß die Vernehmung der Frauen in einem akzeptablen Rahmen ablaufen wird? Wird z.B. die Öffentlichkeit ausgeschlossen, wenn es zum Punkt der Vergewaltigung kommt?

Das wird nicht möglich sein, weil dort nach dem englischen Recht vorgegangen wird. Die beiden Angeklagten haben zwei Möglichkeiten auszusagen: Entweder sie sagen aus, lassen sich aber nicht vereidigen, in diesem Fall dürfen keine Fragen gestellt werden, weder vom Staatsanwalt, noch von den Anwälten - oder sie entscheiden sich für das Kreuzverhör, d.h. sie werden am Anfang vereidigt und dann verhört. Dazu soll es aber nach Auskunft der Anwälte nicht kommen. Einmal wegen der Betroffenheit der Frauen und zum anderen wegen der problematischen Dolmetschersituation. Ich habe deshalb auch keine Befürchtung, daß den Frauen etwas passieren kann, weil sie schon im Vorverfahren eine so ausführliche und spontan betroffene Zeugenaussage gemacht haben, die den ganzen Sachverhalt schon darlegt.

Was läßt sich von hier aus im Falle einer Verurteilung noch tun?

Das habe ich mit dem Richter erörtert. Dabei ist das Problem: Es gibt zwar ein Auslieferungsabkommen, aber Nord -Zypern ist dem aufgrund der schwierigen politischen Situation nicht angeschlossen. Einen offiziellen Auslieferungsantrag kann man also nicht stellen, die einzige Möglichkeit ist die politische Ebene. Wer sollte ein Interesse daran haben, daß die Frauen im dortigen Gefängnis verbleiben?

Also gebe es Chancen, auf politisch-diplomatischem Wege dort etwas auszurichten? Wie ist die Rolle der Anklage auf illegalen Rauschgiftbesitz einzuschätzen?

Nach Angaben eines Staatsanwaltes ist es so, daß die Anklage - es geht um 50 Gramm Haschisch - abgetrennt wurde und man abwarten will, was bei diesem Prozeß herauskommt. Werden die Frauen im ersten Verfahren freigesprochen, könnte in einem zweiten Prozeß auf Geldstrafe geklagt werden oder aber die bereits verbüßte Haft wird angerechnet. Es ist nicht so, daß dort Haschischdelikte heftig kriminalisiert werden. In Zypern gibt es selbst viele, die Cannabis anbauen. Alles, was die Presse darüber geschrieben hat, ist lächerlich.

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