: 1.-Mai-Krawalle im Parteienstreit
Aktuelle Stunde im Bundestag über Kreuzberger Randale / CDU sieht mal wieder den „Rechtsstaat gefährdet“ und einen „Rückfall ins Mittelalter“ / SPD verteidigt Strategie der Deeskalation ■ Aus Bonn Gerd Nowakowski
Unversöhnliche Gegensätze und scharfe Polemik bestimmten gestern die von der CDU beantragte Debatte des Bundestages über die „Gefährdung des Rechtsstaats“ durch die Kreuzberger Krawalle. Dabei überzeugte insbesondere der Abgeordnete Gerster (CDU) durch intellektuelle Dürftigkeit. Die Krawalle seien ein „Rückfall ins Mittelalter“, für das der rot-grüne Senat verantwortlich sei; insbesondere die Grünen schürten die Gewalt, wie auch die Waffensammlung für El Salvador beweise.
Um Redlichkeit in der Diskussion bemühte sich dagegen der FDP-Politiker Wolfgang Lüder. Lüder verwies darauf, die „dunkle Nacht des 2. Mai eignet sich nicht zur politischen Profilierung“. Berlins Regierender Bürgermeister Momper habe unrecht, wenn er hinter den Krawallen einen Angriff auf den rot-grünen Senat sehe, führte Lüder aus: Den Akteuren sei es um Gewalt, nicht um Politik gegangen. Die Stadt werde weder „vom Mob regiert“ noch werde dort „Volksfrontpolitik“ betrieben, wandte sich Lüder gegen CDU-Angriffe.
Willfried Penner verteidigte für die SPD nachdrücklich die Strategie der Deeskalation, die sich als richtig erwiesen habe. Es sei selbstverständlich, daß es in „einem demokratischen Staat keine rechtsfreien Zonen geben darf“, dieses müsse aber auch bei willkürlichen Amnestien für Steuersünder und Wirtschaftskriminelle gelten sowie für die „noch blutbefleckten ehemaligen Nazi-Richter“. Am 1. Mai habe es „Rowdytum und Vandalismus“ gegeben, gestand Penner zu: „so wie zu Zeiten von Diepgen“. Deswegen sei es von Berlins Exbürgermeister „niederträchtig und staatszerstörerisch“, nun zu erklären, der seit einem Monat regierende Senat habe „Kreuzberg zum Plündern freigegeben“.
Die „Verrohung“ von Menschen müsse über die Parteigrenzen hinweg entsetzen, sagte die Berliner Senatorin Heide Pfarr. Nicht Härte wie bei der CDU, die damit „immer brutalere Reaktionen provoziert“, sei ein Mittel, sondern eine Politik, die sich um Menschen bemühe. Der Staat dürfe sich „nicht so verhalten, wie es das autonome Feindbild verlangt“.
Die Notwendigkeit, die sozialen Ursachen der Gewalt zu benennen, bevor es andere tun, betonte Burkhard Hirsch (FDP) in Hinblick auf rechtsradikale Kräfte.
German Meneses (Grüne) warf der CDU vor, es gehe ihr nicht um Berlin, sondern um die Zerstörung der „rot-grünen Hoffnungen“. Die Krawalle seien das Ergebnis der von der CDU betriebenen Politik der Härte und Ausgrenzung eines Teils der Gesellschaft, deswegen stünde ihr nicht zu, über eine „angebliche Gefährdung des Rechtsstaats zu reden“, erklärte Meneses unter CDU-Zwischenrufen, die blanken Rassismus offenbarten. Meneses ist Südamerikaner mit deutscher Staatsangehörigkeit.
Die Krawalle hätten mit „linker Politik nichts zu tun„; wer diese verteidige, betreibe eine „unverantwortliche Glorifizierung von Gewalt“, sagte er mit Blick auf die Erklärung der Berliner AL-Abgeordneten Siggi Fries. Diese hatte den 1. Mai als „großen Erfolg“ bezeichnet und Verständis für Menschen gezeigt, für die „spontane riots ein legitimes Mittel der politischen Auseinandersetzung ist“.
Etliche Mitglieder der Bundestagsfraktion der Grünen hatten am Dienstag abend diese Erklärung scharf kritisiert. Meneses vertrat dabei, wer von revolutionärer Gewalt im Zusammenhang mit Kreuzberg spreche, „verunglimpfe“ diese Begriffe angesichts der Verhältnisse in Ländern wie EL Salvador. Fraktiosnsprecherin Antje Vollmer nannte die Fries -Äußerungen „hohl und phrasenhaft“. Otto Schily äußerte die Befürchtung, in den Grünen sei das Verhältnis zum Gewaltmonopol des Staates aus „den Fugen geraten“. Er forderte auch ein hartes Vorgehen der Polizei gegen „eskalierte Situationen“. Die Hamburger Abgeordnete Angelika Beer warf Schily dagegen vor, mit der von ihm betriebenen Absage der Grünen an Bündnisse mit Autonomen zur Gewalteskalation beizutragen.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen