: „Das ist schlicht Unsinn“
■ Hannoveraner Verein soll Bremer Schulkinder fürs Bilinguale Gymnasium aussuchen Betroffene Eltern protestieren gegen Franke: „bodenlose Unverschämtheit“
„Wir haben das Gefühl, von hinten bis vorne belogen worden zu sein“, sagte jemand dem Bildungssenator Franke ins Gesicht. Am Mittwoch war die Aula des Hermann-Böse -Gymnasiums wieder voll, ca. 200 betroffene Eltern waren zum Streit mit dem Senator um das Bilinguale Gym
nasium gekommen. In einer Elternversammlung im Februar hatte die Behörde noch versprochen, alle Kinder, die wollten, könnten in der Orienterungsstufe verstärkten Englisch -Unterricht erhalten, um danach entscheiden zu können, ob sie das Bilinguale Gymnasium besuchen können und wollen. Mehrfach sei versichert worden, es gebe für die Orientierungsstufe keine Aufnahme-Bedingungen, erinnerte eine Mutter.
Diese Zusagen gelten nicht mehr, seitdem die Behörde vom Run auf das neue zweisprahige Gymnasium überrascht wurde. Für drei bilinguale OS-Klassen sollen 75 zehnjährige Kinder aus über 200 ausgewählt werden, die von ihren Eltern angemeldet wurden. Mehr als zwei Klassen werde ist nicht geben, blieb der Senator am Mittwoch abend hart. „Dann wird es in der Orientierungsstufe einen unbändigen Konkurrenzkampf“, ein „Hauen und Stechen“ geben, wandten Eltern ein. Wie paßt das in die Bremer Schulpolitik? Gar nicht, erklärte Franke. Mit dem Passus vom „Schulversuch“ sollen die Eltern rechtlos gestellt werden, kritisierte der Anwalt Axel Adamietz.
Wie geht das, eine Selektion vor der Orientierungsstufe!? An
allen Orientierungsstufen verstärkten Englisch-Unterricht einzurichten sei zu teuer, erklärte Franke: „Das können Sie gern fordern, aber das ist schlicht Unsinn“. Gleichzeitig räumte er aber ein, daß in späteren Jahren wohl auch blinguale Bildungsgänge für andere Schultypen als das Gymnasium erprobt werden könnten.
Ursprünglich hatte die Behörde sich die Zeugnisse kommen lassen und Franke wollte einfach die Grundschul-Zensuren zur Grundlage der Auswahl nehmen. Aber, so berichtete er den Eltern, da hätten Beamte der Behörde, die für den Grundschulbereich zuständig sind, die schärfste Form des Beamten-Unwillens dokumentiert: sie hätten „remonstriert“.
In seiner Not ist der Senator auf einen Hannoveraner Verein mit dem Namen „Deutsche Gesellschaft für Personalwesen“ gekommen. Die organisiert normalerweise Weiterbildung für den Öffentlichen Dienst und macht psychologische Tests mit den Beamtenanwärtern aller nordeutschen Bundesländer einschließlich Hessen. Der Verein war 1949 auf Initiative auch der Amerikaner gegründet worden, erklärt Dr. Althoff von dieser „Gesell
schaft“, die Amerikaner hätten damals damit die Hoffnung verbunden, daß Parteienklügel im Öffentlichen Dienst vermieden werden könnte. Das Bundesland Bremen sei seit einigen Jahren nicht mehr Mitglied des Vereins. Bremen braucht die Diplom-Psychologen nun wieder, da es beim Bremer Schulpsychologischen Dienst „Schwierigkeiten gegeben“, ließ Althoff sich erklären, warum die Bremer die Auswahl nicht selber machen.
Ein Professor Todt aus Gießen wurde engagiert, um das Ziel des Testes zu formulieren: „allgemeine sprachliche Kompetenz, Denkfähigkeit und bisher erworbenes Wissen“ sollen ermittelt werden. Woher er den Glauben nehme, solche Prüfungen hätten keine Auswirkungen auf die Grundschule, fragten Eltern. Der Vorgang sei eine „bodenlose Unverschämtheit“, und mit dem Etikett „Elite“ sei den Schülern noch zusätzlich Druck aufgehalst worden, wo es „um die Orientierungsstufe und nichts weiter“ gehe. „Hätte ich das gewußt, was Sie wollen, hätte ich mein Kind nicht angemeldet.“ Was wird aus der Prüfung, wenn bis zum 29.5. noch viele anspringen? „Dann hätte der Abend ja einen Sinn“, konterte Franke.
K.W.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen