Flotten Drei und Zuhälterei

■ Chronologie einer merkwürdigen Gerichtsverhandlung: Als Belastungszeugin auspacken wollte, verlor das Gericht das Interesse / Zuhälterei mangelnd bewiesen

Frauen beherrschen die Szene: Gericht, Staatsanwaltschaft und Zeugenstand sind weiblich besetzt. Angeklagt ist ein Mann. Ihm wird ein Männerdelikt vorgeworfen: Dieter H. ist Zuhälter. Das sagt zumindest die Prostituierte Bärbel S., sie hat vor der Kripo „ausgepackt“. Nun soll sie im Zeugenstand vor dem Bremer Amtsgericht ihre Aussage bestätigen. Doch die einzige Belastungszeugin schweigt:„Ich sag nichts, ich hab Angst!“.

Das Gericht macht Bärbel S. auf ihre Aussagepflicht aufmerksam. Eine Ordnungsstrafe droht. „Lieber 'ne Geldstrafe, als tot sein, Schulden hab ich sowieso.“ Sie ist nicht umzustimmen.

Die Kripobeamtin K. wird ge

rufen. Sie soll zunächst zur Person Bärbel S. Stellung nehmen. Dann wird sie zu ihrer Ermittlungsarbeit befragt. Dies ist die Stunde des Verteidigers Wilfried Behrend: Unverständlich für die ZuhörerInnen ist die Aggressivität, mit der er die Beamtin attackiert. Er erlaubt sich sogar Zurechtweisungen, die sich das Gericht gefallen läßt. Allerdings: er deckt auch Widersprüche zwischen Aussageprotokollen und den Antworten der Beamtin auf: Wann genau hat Bärbel S. ihre Aussage gemacht? Und vor allem: tat sie dies aus freien Stücken?

Der Angeklagte schweigt. Verteidiger Behrend läuft zu Hochform auf. Es gelingt ihm,

die Glaubwürdigkeit der Kommissarin wirksam in Frage zu stellen. Manipulation bei den Ermittlungen steht als Verdacht im Raum.

Dann versucht er, die Zeugnisfähigkeit der Prostituierten Bärbel S. in Frage zu stellen: Dabei bezieht er sich auf das Tagebuch der Zeugin, das eigentlich als Belastungsmaterial dienen sollte. Er leitet daraus „mangelnde Intelligenz“ ab. Die Anklage beginnt zu bröckeln.

Nach dem dramatischen Prozeßauftakt schien alles auf eine lange Verhandlung hinzudeuten. Die Zeugin Bärbel S. teilt am zweiten Verhandlungstag schon auf dem Gerichtsflur mit, daß sie heute aussagt: „Jetzt will ich's zu

Ende bringen.“

Dann im Gerichtssaal: Charmant und zuvorkommend macht Verteidiger Behrendt den anwesenden Damen seine Aufwartung. Er entschuldigt sich bei Richterin Horn und Staatsanwältin Traut sogar für sein ungezogenes Verhalten und erreicht sein Ziel: Geschmeichelt treffen sie Absprachen. Man hört Wortfetzen:“...zeugnisunfähig......ist ja debil..“. Und bevor alle sitzen, klappt Richterin Horn den Aktendeckel zu: Die Zeuginnen werden entlassen. Der Prozeß wird im gegenseitigen Einvernehmen, aus „prozeß-ökonomischen Gründen“, mangels Beweisen eingestellt. Die Prozeßkosten trägt die Staatskasse.

gb