: „Und plötzlich bist du wie John Wayne“
Wo Männer noch Männer sind und freiwillig abwaschen / Der Berliner Frank Pfaffinger war mit Marlboro auf Abenteuer-Tour 240.000 bewarben sich um einen Lagerfeuerplatz beim großen Western-Abenteuer, darunter 20.000 Frauen ■ Von Vera Gaserow
Berlin (taz) - Das Abenteuer lauert nicht im Zimmer 301 der „Nordwestlichen Eisen- und Stahlberufsgenossenschaft“. Es ist auch nicht in dem kleinen Eigenheim am Berliner Stadtrand zu Hause. Das Abenteuer wohnt in Utah, genauer: am Colorado River. Es trägt Cowboyhut und scharfe Falten um die Mundwinkel, sitzt auf einem Pferd und galoppiert unter Orchesterklängen über die Kinoleinwand. Doch Frank Pfaffinger - die Kollegen im Büro der Eisen- und Stahlberufsgenossenschaft können es kaum glauben - hat es live erlebt! Das Abenteuer hat ihm Ohrläppchen und Nase verbrannt, die Hüfte mit blauen Flecken übersät, und war „ein Spitzenerlebnis, das man im Leben nicht so schnell vergißt“, kaum zu vergleichen mit den sommerlichen Urlauben im Wohnmobil mit Frau und Kind.
Auf das Abenteuer hat Diplom-Ingenieur Pfaffinger mit seinen 39 Jahren lange warten müssen. Fünfmal schon hat er sich bei dem jährlichen Wettbewerb des Zigarettenkonzerns mit dem Cowboy-Image beworben, und obwohl die Konkurrenz von Jahr zu Jahr zahlreicher wurde, hat es nun endlich geklappt
-wenigstens ein bißchen: unter 240.000 Bewerbern, (darunter rund 20.000 -Innen) kam Pfaffinger in die engste Auswahl für das „Malboro-Abenteuer-Team 89“. Anfang Mai flog er als einer von 22 auserwählten Testkandidaten aus der Bundesrepublik ins Trainingscamp nach Utah - mitten in das Land John Waynes. „Zum ersten Mal in zehn Jahren Ehe“ reiste Pfaffinger allein in die Welt - wenn man mal die Ärzte, Psychologen, Köche, Trainer, Hubschrauberpiloten, professionellen Abenteuermanager und rund 35 Reporter abzieht.
„Spitzenmänner“
Knapp eine Woche sollten die Kandidaten im Vier-Disziplinen -Härtetest beweisen, ob sie des finalen Abenteuers würdig sind. Sechs Tage lang in der Wildnis leben, schwärmt Pfaffinger nach seiner Rückkehr, das Camp mit aufbauen, wie echte Cowboys im Pionierplanwagen essen, hinterher - „wie man das in so einem Camp macht“ - Geschirr selber abwaschen. Sechs Tage lang mußte er sein Können unter Beweis stellen, um in den Kreis der zehn Männer zu kommen, die im Namen des blauen Dunstes das „Abenteuer-Team“ stellen und dann im Juni für vierzehn Tage endgültig auf Tour gehen. Gleich vorweg: Pfaffinger, Berlin-Lichterfelde, hat es nicht geschafft. Wenn die Gewinner (Pfaffinger: „Spitzenmänner!“) sich durch den Canyon des Colorado Rivers wühlen, wird Pfaffinger im Urlaub nun das Abenteuer im Moseltal suchen müssen. Aber allein die sechs Tage waren für den Berliner Ingenieur „ein Erlebnis, einfach traumhaft“.
Ja, wer träumt nicht davon: Mit 110 PS im Jeep durch den Grand Junction, rasende Geschicklichkeitsfahrten mit dem Motorboot, mit 100 Sachen mit dem Motorrad durch Flußtäler brettern, auf einem Gaul die Berge rauf- und runterpreschen: „Das ist wunderbar abgegangen.“ Bei Tempo 70 hat sich Pfaffinger mit dem Motorrad langgelegt, daß er die Hüfte tagelang nicht mehr spürte, die Ohrläppchen sind so verbrannt, daß der Motorradhelm nicht mehr draufpaßte, der Hintern tat vom ungewohnten Reiten weh, einen Sonnenstich hat er sich geholt, und die Schleimhäute waren so aufgeplatzt, daß er wie die Hälfte seiner Konkurrenten bei der heißen trockenen Luft unter Nasenbluten litt - aber „großartig war's! Du stehst in einer traumhaften Landschaft, so urwüchsig und wild, wie man sie sich nicht vorstellen kann, und fühlst dich plötzlich wie John Wayne.“
Um die Landschaft beneidet der Wunsch-Wayne den echten, aber insgesamt ist Pfaffinger nach sechs Tagen Trainingscamp von den USA „schwer enttäuscht“. „Die Landschaft ist großartig, aber das Sozialsystem ist unter aller Sau. Eine Nation, die ins Weltall fliegt, aber sozial nichts zustande bringt! Die Leute sind wirklich arm dran. Deren Autobahnen würde ich nicht einmal der DDR verkaufen.“
Was reizt jedes Jahr eine Viertelmillionen starke Gemeinde von Kfz-Mechanikern und Metzgern, Bundeswehrsoldaten und Rechtsanwälten, Bademeistern und Maschinenschlossern an diesem Trip? Was bewegt sie, die rot-weiße Bewerbungskarte an die Firma mit der Fluppe im Cowboy-Mund zu schicken? Pfaffinger: „Das ist reine Selbstbestätigung. Ich geh‘ immer bis an die Grenze meines Könnens und meiner Leistung. Ich kann im Urlaub nicht am Strand liegen. Anstrengung bis zum Umfallen - das ist für mich Urlaub.“
Mit Männlichkeitswahn, davon ist er überzeugt, hat der „Malboro-Abenteuer-Trip“ nichts zu tun. Seine Mitkonkurrenten im Trainingscamp waren zwar alles „knallharte Typen, und derbe Witze bleiben nicht aus, wenn 50 Männer zusammen sind“. Aber er selber „würde es begrüßen, wenn auch Frauen mitmachen. Allerdings müssen sie schon leistungsfähig sein und Entbehrungen auf sich nehmen. Aber an den Frauen kommt auch Marlboro nicht vorbei.“
Auf den Finanzier seines Abenteuers läßt Pfaffinger nichts kommen, auch wenn er keine einzige der 6.693.000.000 Zigaretten geraucht hat, die der weltweit führende Zigarettenkonzern Philipp-Morris im ersten Vierteljahr 1989 allein in der Bundesrepublik verkaufte. Pfaffinger ist seit eh und je Nichtraucher, wie übrigens Zweidrittel seiner Abenteuer-Konkurrenten auch. Trotzdem, „die Veranstalter waren ungeheuer großzügig, Organisation, Unterbringung, Essen, alles vorzüglich. Das muß die ein Schweinegeld gekostet haben.“
Wieviel das durchorganisierte Abenteuer den Werbeetat der Firma Marlboro jedes Jahr belastet, will der Sprecher der Münchner Konzernzentrale nicht sagen; auf jeden Fall würde sich die Investition rentieren. Frank Pfaffinger montiert derweil die Marlboro-Etiketten auf den vielen Taschen, Jacken, Mützen und Motorradcombis ab, mit denen er vor seiner Reise ausstaffiert wurde, „denn ich will ja nicht als wandelnde Litfaßsäule rumlaufen“. Einige Kritik an der Durchführung der Tour hätte er schon anzubringen, „aber die schreiben Sie mal nicht, weil ich ja nächstes Jahr wieder dabei sein will“. Bis dahin will Pfaffinger kräftig reiten und crossfahren trainieren, weil „es die letzte Chance ist. Dann bin ich zu alt.“ Aber vielleicht kommt ihm auch etwas anderes dazwischen. Neulich hat er so ein Plakat gesehen: „Camel-Tour - das Abenteuer ruft!“. Da nimmt ein Frank Pfaffinger gleich den Telefonhörer in die Hand und ruft zurück.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen