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Druck auf Panamas Regime wächst

■ Erstes US-Truppenkontingent im Anflug / Bush will 1.881 Mann Verstärkung schicken / Organisation Amerikanischer Staaten rief zur Sondersitzung / OAS-Minister warnen gleichzeitig vor US-Intervention / Panamas Opposition bereitet Generalstreik vor

Panama/Washington (afp/ap) - Das Militärregime in Panama steht nach der Annullierung der Wahlen vom vergangenen Sonntag und den blutigen Übergriffen gegen die Opposition unter zunehmendem internationalen Druck.

Das erste Kontingent amerikanischer Truppen, die US -Präsident George Bush am Donnerstag nach Panama beordert hat, befand sich in der Nacht zum Freitag bereits auf dem Weg. Nach Angaben aus dem US-Verteidigungsministerium handelt es sich um eine aus 165 Mann und 18 Panzerfahrzeugen bestehende Kompanie der Marineinfanterie. Insgesamt hat Bush 1.881 Mann nach Panama beordert.

Laut Bush sollen die Truppen die Aufgabe haben, das Leben von amerikanischen Staatsbürgern in Panama und in der Kanalzone zu schützen und den Kanal zu sichern. Der Kompanie der Marineinfanterie soll ein Bataillon mit 726 Soldaten und 59 gepanzerten Mannschaftstransportwagen vom Typ M-113, sechs Mörserfahrzeugen vom Typ M-106 und 106 weiteren Fahrzeugen folgen. Ein weiteres Bataillon mit 890 Infanteristen, eine Stabskompanie mit 100 Mann sowie Artillerie und Panzerabwehrwaffen werden ebenfalls nach Panama geschickt. Die Regierung habe sich zur Entsendung der Mannschaftstransportwagen entschieden, damit sie im Notfall Amerikaner evakuieren könnten, hieß es weiter. Die Soldaten und ihre Waffen sollen in zehn amerikanischen Militärstützpunkten entlang des 80 Kilometer langen Panamakanals untergebracht werden. Ihre Entsendung ist durch die Panamakanalverträge von 1977 abgedeckt.

Die „Organisation Amerikanischer Staaten“ (OAS) will am Montag eine Außenministerkonferenz ihrer 31 Mitgliedsländer zu Beratungen über die Lage in Panama einberufen. Zahlreiche Regierungen Lateinamerikas verurteilten die Wahlmanipulation, sprachen sich jedoch auch gegen eine US -Militärintervention in Panama aus. Venezuelas Botschafter in Washington beantragte im Namen von insgesamt 13 lateinamerikanischen Ländern für gestern eine Sondersitzung des ständigen Ausschusses der OAS, um die geplante Außenministerkonferenz offiziell einzuberufen. Die USA und Mexiko riefen ihre Botschafter in Panama zu Konsultationen zurück.

In seiner Erklärung kündigte Präsident Bush außerdem die Verstärkung der US-Truppen in der Kanalzone und die Evakuierung der in Panama lebenden Nordamerikaner an. Er erklärte sich entschlossen, nötigenfalls „zusätzliche“ wirtschaftliche, politische und militärische Maßnahmen zum Sturz des panamaischen Machthabers, General Noriega, zu ergreifen, und sicherte allen Initiativen anderer lateinamerikanischen Staaten zur Lösung der Krise seine Unterstützung zu. Bush, der vor seiner Erklärung mit mehreren lateinamerikanischen Staatschefs telefoniert hatte, mahnte die Streitkräfte Panamas, „ihre verfassungsmäßigen Verpflichtungen zur Verteidigung der Demokratie zu erfüllen“. Das US-Außenministerium erkannte am Donnerstag den Präsidentschaftskandidaten der Opposition in Panama, Guillermo Endara, als gewählten Staatschef an. Endara, der nach Feststellung zahlreicher Beoachter, Journalisten und der Kirche die Wahl mit über 70 Prozent gewonnen hat, liegt verletzt im Krankenhaus, nachdem er bei einer Demonstration am Mittwoch von regierungstreuen Schlägertrupps verprügelt worden war.

Der ehemalige US-Präsident Jimmy Carter, einer der Zeugen des Wahlaktes am Sonntag, appellierte an Perus Staatschef Alan Garcia, sich an die Spitze einer gemeinsamen Aktion aller lateinamerikanischen Regierungen zur Beilegung der Krise in Panama zu setzen. Venezuelas Präsident Carlos Andres Perez verurteilte die Annullierung der Wahl als „Staatsstreich“, mit dem sich das Regime in Panama endgültig in eine „totale Diktatur“ verwandelt habe, und befürwortete eine „Lösung in lateinamerikanischem Rahmen“. Sein Außenminister Enrique Tejera sprach sich zugleich energisch gegen eine militärische Intervention zum Sturz von Armeechef Noriega aus.

Der Geheimdienst Panamas beschuldigte den venezolanischen Staatschef, einen der engagiertesten Kritiker Noriegas, er habe versucht, vier Offiziere zum Putsch gegen den umstrittenen Armeechef anzustiften.

Auch El Salvadors Staatschef Napoleon Duarte sowie die Außenminister von Costa Rica und Argentinien verurteilten in scharfen Worten die Annullierung der Wahl und die Gewalttaten gegen die Opposition. Nur die chilenische Regierung, wie zuvor bereits Kuba, setzte andere Akzente und geißelte die angebliche „ausländische Einmischung“ in Panama. Dort protestierten am Donnerstag erneut der Präsidentschaftskandidat der „Zivilen Demokratischen Oppositions-Allianz“ (ADOC), Endara, und sein Stellvertreter Ricardo Arias gegen die Annullierung der Wahl. Die Opposition werde sich nicht um ihren Sieg bringen lassen und keine „Verhöhnung des Volkswillens“ dulden, erklärten sie. Auch das panamaische Menschenrechtskomitee kritisierte die Entscheidung der Behörden, den Urnengang für ungültig zu erklären, als Versuch, dem Volk das „geheiligte Wahlrecht“ abspenstig zu machen. Am Donnerstag vormittag trafen sich in Panama Oppositionspolitiker und Vertreter von Unternehmerverbänden, um einen Generalstreik gegen die Annullierung der Wahl vorzubereiten. „Wir setzen nicht auf eine US-Militärintervention, sondern auf einen langen Kampf und internationalen Druck“, sagte Vizepräsidentschaftskandidat Arias.

Die Polizei in Panama ließ am Donnerstag den bei den Unruhen am Vortag verhafteten Guillermo Ford, den zweiten Bewerber der Opposition um die Vizepräsidentschaft, frei. Ford wurde zur Behandlung seiner schweren Verletzungen in ein Krankenhaus eingeliefert.

Wegen angeblicher Falschberichterstattung verwiesen die Behörden einen spanischen und einen chilenischen Journalisten des Landes. Damit stieg die Zahl der seit der Wahl abgeschobenen Pressevertreter auf 16.

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