piwik no script img

„Schwer entzündbar“... und flach

 ■ V O R L A U F

(Hörspiel 20.30 Uhr Rias I) „Du checkst doch hier gleich null“, lautet der Titel einer neuen Hörspielreihe des Rias, die sich zum Ziel gesetzt hat, „sich mit Gefühlen, Ängsten und Freuden junger Leute auseinderzusetzen. Ein lobenswerter Ansatz. Als Auftakt: „Schwer entzündbar“ von Hans Martin Sänger. Spielort: Jugendfreizeitheim im Berlin. Öde Stimmung. Eine Krankenschwester namens Dagmar taucht auf, spielt den anwesenden Jugendlichen nebst Betreuer eine Kassette vor, die sie bei einem Rockkonzert aufgenommen hat. Deutlich hört man jemanden, noch bevor das Konzert beginnt, „Feuer, es brennt“ rufen. Eine Panik bricht aus (übrigens schlapp realisiert, wirkt nicht panischer als das ungeduldige Murren vor einer Supermarktkasse). In der Folge dieser Panik wird die afrikanische Freundin Dagmars, Ada, zu Tode getrampelt, was beweist, daß eine Panik selbst vor einer Vorzeigeausländerin mit rühriger Biographie nicht halt macht, doppeltes Mitgefühl.

Weiter: Dagmar hat gehört, daß auch einige Kids des Jugendfreizeitheims beim Konzert waren, also nichts wie hin, dem Täter auf der Spur. Täter? Wieso Täter? Ach ja, das eigentlich Verwerfliche ist nämlich, daß einer der Konzertbesucher per Rauchbombe den Ausbruch des Feuers nur vorgetäuscht hat, nichts aks Unsinn im Kopf die Kids, sagen jetzt auch die Kids, brav brav. Beim Abspielen der Kassette erkennt der samrte Betreuer Ajax - der Hörer hat das schon viel früher gecheckt - die Stimme eines zu Betreuenden. Heini ist sein Name, erprobter Rauchbombenschmeißer vom 1.Mai, wie man hört. Klarer Fall. Doch Heini hat sich schon verdünnisiert. Er flieht vor seinem schlechten Gewissen, denkt man gleich. Anders sein Kumpel Top. Mit einer Flasche Korn in den Händen kommt er wieder und lallt mit seiner Reue den Schluß des 64minütigen Hörspiels ein. Was will uns der Autor damit sagen? Daß selbst in Paniksituationen die Verantwortlichkeit für eigenes Handeln nicht aufhört? Nein, seine Botschaft ist viel simpler: Panik durch groben Unfug ist vermeidbar, indem man den groben Unfug einfach einstellt. Das Entsetzen und die Ratlosigkeit vor den Auswirkungen einer Panik ist jedenfalls nicht sein Thema. Stattdessen bei Sänger ein bißchen Schuldgestochere, ein bißchen Reuegestöhn und ein spannungsloses Open-End. Enervierend auch der moralisierende Spießerton des Hausmeister, der bis zur bitteren Neige aus dem Off die Figuren einführt. Bleibt eigentlich nur noch zu sagen, daß die Sprecher der Roten Grütze auch nicht mehr die Allerjüngsten zu sein scheinen.

L. Batto

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen