piwik no script img

Doch Giftgas in Georgien eingesetzt

■ Französische Ärzte analysieren Chlorpikrin als Todesursache der Demonstranten in der georgischen Sowjetrepublik / Trotz der Freilassung eines seit Monaten inhaftierten Mitglieds des Karabach-Komitees streiken Armenier weiter für Anschluß von Berg-Karabach

Berlin (afp/ap/taz) - Der Tod mehrerer Demonstranten in der georgischen Stadt Tiflis am 9. April ist auf den Einsatz von Giftgas zurückzuführen. Zu diesem Schluß kommt ein französisch-belgisches Team der Organisation „Ärzte ohne Grenzen“, die auf Einladung des sowjetischen Nobelpreisträgers Andrej Sacharow und der Regierung der sowjetischen Republik Georgien die Umstände der Zusammenstöße und die Verletzungen der Opfer untersuchten.

Nach einer am Dienstag in Brüssel verbreiteten Pressemitteilung der beteiligten belgischen Ärzte wurden nach der Autopsie von 16 der 20 Toten Wunden und tödliche Verletzungen festgestellt, die auf den Einsatz von Giftgas, darunter Chlorpikrin, zurückzuführen seien.

Bei Chlorpikrin (früher als Grünkreuz bezeichnet) handelt es sich um einen chemischen Kampfstoff, der die Lungen angreift und gleichzeitig auch als Augenreizstoff Anwendung findet. Außerdem werden Niere und Leber durch den Einsatz von Chlorpikrin geschädigt. Bisher hatten die sowjetischen Behörden bestritten, daß bei dem Einsatz der Sicherheitskräfte in Georgien chemische Kampfstoffe angewendet worden waren.

Zuletzt hatte der Oberkommandierende der sowjetischen Streitkräfte im Kaukasus, General Jegor Rodionow, den Einsatz „chemischer Stoffe“ dementiert, den Einsatz von Tränengas jedoch zugegeben. Nach Angaben von Dr. Marc Gastellu Etchegorry von „Medicins sans Frontiers“ wurde in der Sowjetunion bis 1981 Chlorpikrin als Tränengas verwendet, erst dann sei das Gas als Kampfgas eingestuft worden.

Streik in Armenien

geht weiter

Eines der seit Monaten inhaftierten zehn Mitglieder des armenischen Karabach-Komitees, Chatchik Tambulchian, ist am Dienstag in Moskau freigelassen worden. Einige Tage zuvor waren vier andere Armenier freigelassen worden, die am 9. April nach einer Demonstration festgenommen worden waren. Mit den Entlassungen haben die Behörden den Forderungen der Streikbewegung in Eriwan teilweise nachgegeben, die seit Donnerstag letzter Woche nach Angaben unabhängiger Beobachter 60 Prozent der Bevölkerung in Betrieben, Schulen und Universitäten umfaßt. Doch wurde der Streik trotz der Bekanntgabe der Freilassung Tambulchians fortgesetzt. Denn die Streikenden wollen alle noch Inhaftieren Mitglieder des Karabach-Komitees freibekommen.

Die Steikenden fordern weiterhin den Anschluß der in Aserbeidschan gelegenen armenischen Enklave Berg-Karabach. Dort streikt die Bevölkerung seit dem 3. Mai. Die armenischen Nationalisten in Eriwan haben außerdem beschlossen, ihren Sitzstreik vor dem städtischen Museum „Matenadaran“ bis zur Freilassung aller poltischen Gefangenen fortzusetzen. In einem Telegramm an den Kongreß der Volksdeputierten forderten sie die Abgeordneten dazu auf, sich in diesem Sinne zu äußern.

er

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen