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■ Frau Ireneschweigt zum AVUS-Rennen

Frau Irene SCHWEIGT ZUM AVUS-RENNEN

Das war eine schöne Leich‘: vorbei, vorbei für immer dar gerast wird hier wohl nimmer gar. Und so wird wahrscheinlich an diesem Wochenende das letzte Mal auf der Avus tourenwagengerannt worden sein, auch wenn das so manchem eine rechte Spitzkehre sein mag. Das Rennen selbst wird aus der Geschichte verschwunden sein, die damit die einzelnen Spielzeug-Autos endlich überholt hat, die ständig aus dem Blickfeld zu verschwinden hatten, freilich nur, um nach wenigen Sekunden auf der anderen Seite wieder aufzutauchen, damit sich alle braven Greisen-Kinder freuten.

Ein BMW hatte ganz rote Scheinwerfer-Augen, einer hatte Verdauungsbeschwerden, mancher roch schon schlecht aus dem Auspuff - die Krankheit zum Tode der Tourenwagenrennen war unheilbar geworden, bis der Torero endlich mit dem roten Tuch zur letzten Fahrt in die Kisten (engl. Boxen) salutierte und die Abschleppfirma Kobra die auf der Strecke gebliebenen Karosseriekadaver übernommen hatte: Ach, schönster Königspilsener Mercedes, wirst doch der Organtransplantation bei der Tuning-Firma Grab nicht entgehen! Und wes wird Dein Schicksal sein, mein von der Signal-Versicherungsgesellschaft eingesetzter Prinz Leopoldi von Bayern, der Du stets eine Rautenkrone trugst in Deinem blaublechigen BMW? Und Du, unser Freund, der reine Privatier, was machst Du jetzt mit Deinem Großen Preis von Möbel Tegeler, wenn Dir nicht einmal mehr eine Schalensitzgruppe bleibt. Und wer soll nun die runden Pirelli-Gummi-Tortellini in der unwiederbringlichen Idylle des Fahrerlagerlebens, der wir für 30 DM pro Tag teilhaftig werden durften, verkehren, wer die blauen Ferrari-Testa-Rossa-Kugelschreiber dortselbst aus ihren Vitrinen freikaufen? Verzehrte Welt!

Ihr, denen die Schweiß-Funken stets von der helmigen Stirn stoben, ihr habt mit Eurem Team-Geist endlich aus Sponsoren richtige Partner gemacht. Wo, so fragen wir zu dieser Stunde, können wir fortan die lustigen Werbetravestien der Zigarettenkonzerne noch bewundern East statt dem verbotenen West auf dem Sportgerät Auto, das waren doch noch echte Konspirationen!

Die gnadenlose Folter hundsgemeiner Bremsschikanen ihr alle habt sie überstanden, habt von Blech zu Blech den Körperkontakt gesucht, am Heck Eures Nächsten genagt und den Windschattenschluß gewagt. Dennoch: Die Herzen schlugen für die kleinen Kadetten, egal wie man zu der Marke steht - unvergeßlich werden uns solche Worte bleiben.

Draußen vor der Tribünen-Tür des schirmherrschaftsfreien Raumes die letzten listenreichen Unterschriftenjäger und christdemokratischen Rettungsritter: Die Avus lebt, solange sie nach Freifahrt strebt.

Gabriele Riedle

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