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WEICHES UND HARTES

■ Stahlskulpturen im Tempelhofer Park

Im alten Tempelhofer Park, gegenüber dem Rathaus, riecht es latent nach Hundescheiße. Als Anschlag auf den Geruchs- wie Geschmackssinn protestieren die im Gras versteckten Haufen gegen neu aufgestellte Stahlskulpturen, die ihnen das Recht auf formende Gestaltung streitig machen. Umso gezielter konzentriert sich darum die Kacke um die metallene Ästhetik, kreist sie quasi ein, weil beschissen demonstriert werden soll, wer Hund im Park ist und was die Skulpturen darum sind: nämlich Mist. Doppelt gemein ist die kotige Aktion aber deshalb, da sich der ekelwurstige Protest im Dunkel der Nacht abspielt, die Täter als passive Bewaffnung ihrer Drahtleinenzieher fungieren und von den morgendlichen Reinigungskolonnen somit schwer dingfest zu machen sind. Denn, die Gedanken sind frei, auch stinkendes Bewußtsein.

Lautes Gebell provoziert Kunst im öffentlichen Raum immer dort, wo sie als Experiment sich regt oder in das Terrain ökologischer Sonderpädagogen eingreift, die um den Naturraum fürchten. Doch zum verunstalteten avantgardistischen Museum verwandeln die wenigen Stahlplastiken, die bis zum Herbst ausgestellt bleiben, den Alten Park gerade darum nicht, fordern sie doch den Widerspruch der Landschaft für ihren eigentlichen Selbstwert heraus und verzichten auf harmonisches Arrangement. Natur bleibt distanziert zu jener stahlharten Kunst, indem die Polarität zwischen Vegetation und Künstlichkeit, Vergänglichem und scheinbarem Beharren zum gegenseitigen Thema der Ausstellung gemacht wird und der Versuch gegenseitiger Anpassung oder kosmischer Identität ausgeschlossen bleibt.

Denn die geschickte Inszenierung der acht Objekte, die die Künstler Haase, Menzen und Press, Seibert, Valenta sowie das Ehepaar Matschinsky-Denninghoff dem Kunstamt Tempelhof kostenlos zur Verfügung stellen, zwingt den kleinen Stadtpark sich gegen die fremde Materie aufzuspielen. So wird der Charakter bloßer Grünzonierung mit Ententeich mittels optisch verstellter Durchblicke, die die Perspektiven neu verteilen und durch die Wahl zweier Aufstellplätze auf kleinen Erhöhungen erst zum Park vergrößert und künstlich gesteigert.

Für das Artifizielle der Kunst, das dem organischen Wildwuchs der Natur eine mathematisch-geometrisierte Abstraktion vortänzelt, stehen fast programmatisch die beiden Skulpturen Volkmar Haases. Sein „Offenes Dreieck II“, aus Edelstahl, hält auf der Spitze stehend beinahe schwerelos die Waage, dreht sich arabesk wie Porzellanpüppchen mechanischer Spieluhren und parzelliert die Landschaft im Schenkeldurchblick. Ebenfalls nach gestaltloser Befreiung drängt die Figuration „Laokoon III“, orgelpfeifenähnliche eckige glänzende Stäbe, die steil nach oben schießen und stemmt sich gegen Idol und festes Material gleichermaßen.

Mythischer Materialität und natürlicher Schwerkraft versucht sich Matschinsky-Denninghoffs mächtige „Orion -Skulptur“ zu entziehen. Nur noch ein Zeichen, zwei am Scheitelpunkt verbundene unregelmäßige Parabeln, deren massige Arme dem Sog des abfallenden Terrains ausgeliefert sind, taumelt der erblindete Jäger, knickt ein und erhebt sich wieder. Doch die aufstrebenden Chromnickelstahlröhren halten, verlängern den kleinen Hügel zum plateauförmigen Podest, von dessen Höhe die Plastik abzustürzen droht und machen dadurch die direkte Distanz zur Natur ebenso deutlich wie Georg Seiberts sieben große dunkle Stahlplatten, die schräg gegen Baumstämme gelehnt sind, um deren Gegenkraft spürbar zu machen. „Die Haut unseres Hauses“, ein konstruktiver Bausatz fester Teile, die Seibert in die Nähe zu Alf Lechners festen Platten rückt, ist - groteskerweise durch seine metallene Härte, unbewegliche Plastizität und Starrheit der Natur und der Vergänglichkeit am nächsten. Unbehandelt, oxydiert und rostig bröselnd scheint die Natur an den Stahlplatten zu nagen und gerade dort ihr Recht zu fordern, wo ihr sich Künstlichkeit entschieden entgegenstemmt. Alles ist Materie, löst sich auf, auch Hundescheiße.

rola

Die Ausstellung „Stahlskulpturen im Park“ ist noch bis zum 29.Oktober im Alten Park, gegenüber dem Rathaus Tempelhof, zu sehen.

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