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Wenn S. und P. fusionieren...

■ Ein kleiner Vorgeschmack auf die Schwierigkeiten mit der Mitbestimmung

London/München (taz) - Die beiden größten Mischkonzerne der europäischen Metallindustrie, S. in München und P. in London, wollen ihre Aktivitäten im Großanlagenbau durch eine Fusion zusammenlegen. Das haben die beiden Geschäftsleitungen gestern gemeinsam bekanntgegeben. Sitz der neuen Gesellschaft soll London werden. Das neue Unternehmen wird in Form einer EAG gebildet. Betroffen sind von dieser Neugründung 130.000 Arbeitnehmer in fünf EG -Ländern und in Schweden.

Unter der Hand war bereits zu erfahren, daß die neue Unternehmensstruktur vorsieht, die bundesdeutschen Betriebe als unselbständige Filialen zu führen, die direkt an die Zentrale in London angebunden sind. Drei der vier betroffenen bundesdeutschen Betriebe sind Aktiengesellschaften, an denen S. mehrheitlich beteiligt ist. Der Schutzverband der Kleinaktionäre, der in diesen Firmen jeweils über rund zehn Prozent der Stimmen verfügt, hat Bedenken gegen diese Unternehmensstruktur angemeldet, die zu einem Wegfall der bisherigen Aufsichtsräte führt. Eine Delegation von Betriebsräten ist zu einem Treffen nach Brüssel gereist, um in der Zentrale des Europäischen Metallarbeiterbundes die Verhandlungen über das zu wählende Mitbestimmungsmodell vorzubereiten.

Die EG-Kommission hat bereits angekündigt, daß sie die Fusion auf ihren volkswirtschaftlichen Nutzen überprüfen wird.

(1.6.1993)

Frankfurt (taz) - Unerwartete Schwierigkeiten sind bei der geplanten S/P-Großfusion aufgetaucht. Obwohl die Geschäftsleitung von S. dementierte, halten sich Gerüchte, daß der S.-Aufsichtsratsvorsitzende X., zugleich Chef der Deutschen Bank, ebenfalls gegen die Auflösung der deutschen Aufsichtsräte votiert. Er soll bei der Bundesregierung interveniert haben, um den Unternehmenssitz in die Bundesrepublik zu holen. Es wird auch nicht ausgeschlossen, daß weder London noch München das Wettrennen um den Unternehmenssitz gewinnt, sondern Luxemburg, das eine erheblich günstigere steuerliche Behandlung verspricht. Gegen diesen Standort wenden die britischen Manager jedoch ein, daß das luxemburgische Mitbestimmungsmodell mit seiner drittelparitätischen Besetzung des Verwaltungsrates den Arbeitnehmervertretern noch weitergehende Rechte als in der BRD einräumt.

(4.6.1993)

Brüssel (taz) - Auf einer Pressekonferenz in Brüssel erläuterte der Generalsekretär des EMB die Marschroute für die Verhandlungen mit den Geschäftsleitungen von S. und P. Von den Unternehmensleitungen sei noch immer kein Vorschlag für das zu wählende Mitbestimmungsmodell vorgelegt worden. Offensichtlich werde versucht, durch eine Verzögerung der Standortwahl Druck auszuüben. Der EMB-Generalsekretär kündigte zugleich an, daß die Gewerkschaften keine Verhandlungen über die Wahl des Modells führen würden, solange der P.-Konzern die shop stewards im schottischen Zweigwerk weiterhin nicht als Verhandlungspartner anerkenne. Unklar ist auch noch, ob das Unternehmen zu einer Mitbestimmungsstruktur findet, in der die schwedischen Arbeitnehmervertreter inbegriffen sind.

Der Vorstand der bundesdeutschen IG Metall, der ebenfalls an der Pressekonferenz teilnahm, gab zu erkennen, daß die schwedische und die niederländische Metallgewerkschaft einen Unternehmensstandort in der BRD vorziehen. Für den Fall einer einseitigen Modellwahl durch die Geschäftsleitung, die im Fall des Unternehmensstandorts London möglich ist, kündigte der EMB Widerstand an.

London gilt allerdings als schwieriges Pflaster für Verhandlungen über die EAG-Mitbestimmung, weil das britische Parlament immer noch keine Durchführungsbestimmungen erlassen hat, wie im Falle des Konfliktes über die Wahl des Mitbestimmungsmodells zu verfahren ist.

(5.6.1993)/h.h.

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