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Freiheit unter Maskerade

■ Überseemuseum zeigt zweisprachige Ausstellung über das Kopftuch in Franken und der Türkei

Ein Stückchen Stoff, das Geschichte gemacht hat. Ein Kleidungsstück, das vielleicht die Bäuerin aus Scheeßel mit der aus Anatolien verbindet: das Kopftuch. Weniger dem folkloristischen Aspekt dieser Kopfbedeckung als seiner Bedeutung im Alltag von Frauen kann man jetzt in einer Wanderausstellung der drei Nürnbergerinnen Meral Akkent, Elisabeth Bala und Gabi Franger im Überseemuseum auf die Spur kommen.

Interviews mit Frauen in Franken und der Türkei stehen im Mittelpunkt der Ausstellung. Es geht um die Tradition bäuerlicher Trachten, um die Freude, verschiedene Farben und Muster zu

kombinieren. Es ist die Rede davon, daß es auch in deutschen Dörfern lange Zeit unmöglich war, eine Kriche ohne Kopfbedeckung zu betreten. Traditionen, die allzuoft vergessen werden, wenn es um eingewanderte Frauen geht, zu deren Bekleidung dieses Stück Stoff auch heute noch gehört.

Daß auch diese Frauen viel persönliches mit ihren Tüchern verbinden, daß sie ein Stück Individualität bedeuten, machen die Interviews mit den Frauen aus der Türkei deutlich. Dort sind noch heute die Kopfbedeckungen kurdischer Nomadinnen etwa ein Maßstab für den Reichtum der ganzen Familie. Kopftücher sind

oft wervolle Geschenke und haben, wenn sie von den Frauen der Städte selbst kunstvoll mit Garn und Perlen umhäkelt werden, eine eigene Sprache. An der Farbe und der Form der gehäkelten Blüten zum Beispiel, kann man erkennen, ob eine Frau verheiratet oder schwanger ist. Sie sind alltägliche Kunstobjekte, in denen sich Frauen individuell ausdrücken.Panamahüte, Tücher im Trümmerfrauenlook gebunden und Turbane aus feinem Mantelstoff dokumentieren all das, was Bremerinnen bis zum Krieg zusammen mit viel „Gemüse“ auf dem Kopf hatten.

Daß das Kopftuch oft genug von Ehemännern, Vätern und

männlichen Interpreten des Korans verordnet wird, spielt in der Ausstellung kaum eine Rolle. Viel mehr scheinen sich die Organisatorinnen der Ausstellung dafür zu interessieren, wie Frauen aus dieser Not eine Tugend machen. Entsprechend der englischen Lady Montagu, die im Jahre 1717 einen Harem besuchte und schrieb: „Diese fortwährende Maskerade gibt ihnen unbeschränkte Freiheit, ihren Einfällen ohne Gefahr der Entdeckung nachzugehen.“

V.K.

Die Ausstellung ist bis zum 21. Juli in Bremen und bietet ein umfangreiches Begleitprogramm zum Thema Islam, Frauenbewegung, Mädchen in Deutschland usw.

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