: Keine Gnade für die Banker
■ Rund 300 KirchentagsbesucherInnen spazierten gestern vormittag in der Innenstadt von Bank zu Bank, um gegen Finanzgeschäfte mit Südafrika zu protestieren
Kirchentagsbesucher haben etwas an sich, was in Berlin im allgemeinen seinesgleichen sucht: Sie singen an jeder Ecke, tragen lila Halstücher und Schlapperhosen und sind leicht an den unzähligen Friedensbuttons an Taschen und Jacken zu erkennen. Außerdem fallen die christlichen Gäste vor allem durch eines auf - sie engagieren sich für alles und jeden, friedlich versteht sich. Voll im Trend liegt besonders das Engagement für die Schwarzen in Südafrika. Und damit der Otto Normalverbraucher davon auch etwas merkt, gibt's zum Thema auch schon mal eine sittsame Demonstration. In diesem Sinne jedenfalls war gestern vormittag der adrette Bankenspaziergang, organisiert von der Kirchentagskampagne, zu verstehen. Der Anlaß: Die obskuren Finanzdeals etlicher Banken mit Südafrika.
Bevor sich rund 300 Protestanten jedoch vom Ernst-Reuter -Platz gen Sündenpfuhl Bankfilialen aufmachten, galt es erst einmal, musikalische Lippenbekenntnisse zu pauken. Ein Lied mit dem fetzigen Slogan „Freiheit in Südafrika“, getextet von einer Anti-Apartheidsgruppe aus Ostfriesland, wurde auf stimmliche Homogenität getrimmt, ebenso das „Singt Amen, Amen!“ auf afrikaans. Beide Gesangseinlagen sollten den gesamten Trupp der Südafrika-Engagierten von Bank zu Bank begleiten.
Ob es die Qualität der schaurig-schönen Tonfolgen war oder die Erinnerung an vorangegangene Bankenspaziergänge anläßlich der IWF-Tagung: Sobald der finanzkritische Pulk an den Pforten der Geldexperten Stellung bezog, rasselten in Windeseile Eisengitter und Rolläden herunter. Den Protestanten blieb daraufhin nichts anderes übrig, als vor verschlossener Tür weitere Kostproben ihres kreativen Könnens gegen Apartheid zu liefern. Besonders originell: Eine überdimensionale Krake, die ihre langen Bankerfänge über die Köpfe der Demonstranten hinweg nach Namibia, Angola oder Südafrika ausstreckte. Transparente mit der Aufschrift „Apartheid tötet - kündigt eure Konten“ appellierten an das schlechte Gewissen der Bankkunden, die gerade im Begriff waren, Dresdner-, Berliner oder Commerz-Bank um ihr Erspartes zu erleichtern. Daß jedoch auch Kirchentagsbesucher dem bedingungslosen Konsum nicht abgeneigt sind, das wurde spätestens nach der Abschlußkundgebung auf dem Breitscheidplatz deutlich. Völlig entkräftet von der knapp zweistündigen Singerei für Gott und die südafrikanische Welt, stürzten sich diverse ausgetrocknete Kehlen in die umliegenden Fastfoodläden. Eine eisgekühlte Coke zu zischen und in den regenwaldtötenden Burger zu beißen, darin sahen die jugendlichen Peacewalker wohl das Fünkchen Sünde, das jedem Weltverbesserer das Leben erst so richtig schmackhaft macht!
cb (christlich betäubt)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen