: Unmoderner Kapitalismus
■ Podium „Transnationale Konzerne im Nord-Süd-Verhältnis“: Fünftausend Interessierte und eine Unternehmerphilosophie aus den sechziger Jahren
„Zirka fünfzig bessere Herren beherrschen die Welt“, merkte Hanns-Dieter Hüsch gleich zu Beginn an und erhielt dafür freundlichen Beifall von den fünftausend, die zum Podium „Transnationale Konzerne im Nord-Süd-Verhältnis“ gekommen waren. Später erhöhte Hüsch auf hundert, so genau kam's nicht drauf an. Zwar ist die Macht der Multis längst strukturell geworden und nicht mehr personalisierbar, aber da ging es auch mit dem Kabarettisten durch, der sonst zu den allergenauesten Beobachtern gehört.
Die Frage, ob die Armut der Nationen mit dem Reichtum der Unternehmen zusammenhängt, war nicht nur für die Mehrheit im Raum und die vier „Befrager“ auf dem Podium klar, sondern auch für den einen „Experten“, IG-Metall-Chef Franz Steinkühler, der vor Selbstbewußtsein strotzte und nicht einmal zum rudimentären Internationalismus der DGB -Gewerkschaften Nachdenkliches beizusteuern hatte. So richtete sich denn das Augenmerk vor allem auf den Buhmann der Diskussion, den zweiten „Experten“ und VW -Vorstandsmitglied Martin Posth, im Konzern für Personalfragen zuständig. Der hielt zwar die zweieinhalb Stunden wacker durch, legitimierte aber seinen Multi auf eine Art, die in ihrer Wirre gewissen Managementpraktiken des Konzerns durchaus entspricht.
Posth argumentierte simpel betriebswirtschaftlich, Einschränkungen hängte er einfach an: „Wir treffen keine Investitionsentscheidungen aus politischer Motivation, sondern nach ökonomischen Gesichtspunkten. Verantwortung verspüren wir dabei natürlich schon.“ Nachgerade fossil auch, daß Posth immer noch für die Industrialisierung der Dritten Welt plädiert; da lassen selbst die Vorstände von Daimler-Benz oder Siemens Moderneres hören. Als da selbst dem Diskussionsleiter Freimut Duve der Kragen platzt, korrigiert Posth gleich das „Mißverständnis“: Ländern wie Brasilien dürften solche Angebote selbstverständlich nicht aufgedrückt werden. Eine Kritik am IWF war das aber auch wieder nicht: Mexiko gilt Posth als gutes Beispiel für die wirtschaftliche Gesundung. Und als ihm schließlich die Befragerin Karolin Winter vorhielt, VW habe im Frühjahr während des brasilianischen Metallarbeiterstreiks 87 Beschäftigte entlassen, meint Posth ernsthaft: „Es gibt Arbeitnehmer, die wollen entlassen werden.“
Und viel zu häufig die Bemerkung, daß alles viel zu schwierig ist, um es in Kürze zu erläutern („Kommunikationsüberschreitung“, wird das in der modernen Personalführung getadelt), kein einziges Mal kommen ihm die „verschiedenen Wertesysteme“ über die Lippen, mit dem die bundesdeutschen Atommanager inzwischen die Kritik so virtuos relativieren können, nur einmal fallen Posth „ganzheitlich“ und „Netzwerk“ ein - Begriffe einer Denkweise, die nicht einmal in Spuren in seinen Beiträgen erschien.
Nicht, daß das etwas an der Verteilung von Reichtum und Elend ändern würde. Aber mit dieser Sechziger-Jahre -Philosophie haben die Veranstalter jemanden zum Schaustreit geladen, der einfach nicht auf der Höhe der Zeit ist.
diba
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