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Flüchtlinge dürfen arbeiten

■ Palästinensischer Flüchtling gewinnt in höchster Instanz vor Bundessozialgericht / Drei-Klassen-Gesellschaft beim Arbeitsamt unzulässig

Inmitten zunehmender Ausländer- und Flüchtlingsfeindlichkeit hat das Bundesozialgericht am Donnerstag ein überraschendes Urteil gefällt. Demnach muß das Arbeitsamt einem 27jährigen Palästinenser, der seit 1978 in Berlin lebt, eine Arbeitserlaubnis für Tätigkeiten jeder Art erteilen. Der 27jährige war 1978 aus dem Libanon nach Berlin geflohen und hatte aufgrund der sogenannten Altfall-Regelung vom 1.Oktober 1987 eine Aufenthaltserlaubnis erhalten. Eine Arbeitserlaubnis, die für jede sich bietende Stelle gelten würde, wurde ihm jedoch verweigert.

Mit der Entscheidung des obersten Sozialgerichts werden die bisherige Verfahren der Arbeitsämter gekippt, Flüchtlingen mit Aufenthaltserlaubnis nur in Einzelfällen eine Arbeitserlaubnis zu erteilen. In der Praxis bedeutete dies meist, die Arbeitserlaubnis zu verweigern.

Bislang waren die ehemaligen Asylbewerber gezwungen, sich auf eigene Faust einen Job zu besorgen, um dann mit der Zusage in der Tasche beim Arbeitsamt um die Erlaubnis zu bitten. Dies wurde nach einem „Drei-Klassen„-Schema mit der Begründung abgelehnt, es gebe genügend Deutsche oder bevorzugte Ausländer, die für die Stelle geeignet seien. Den Hinweis auf eine freie Stelle nahm die Behörde jedoch meist dankend in Anspruch. In vielen Fällen wiederholte sich diese Prozedur mehrere Male.

Nach Ansicht der AL ist das Urteil der „Schritt, um den Menschen hier eine Lebensperspektive zu verschaffen“. „Bislang war das ein Teufelskreis für die Leute“, sagt Ines Sprenger, Fraktionsassistentin und Mitarbeiterin im Ausländerbereich. „Die sind einfach aus der Sozialhilfe nicht rausgekommen.“ Das Urteil des Bundessozialgerichts wird sich nach Angaben von Jürgen Moser, Rechtsanwalt des palästinensischen Flüchtlings, auf den Großteil derjenigen abgelehnten Asylbewerber auswirken, die aufgrund der beiden Berliner Altfall-Regelungen eine Aufenthaltserlaubnis erhalten haben. Auch sie haben nun - ebenso wie Flüchtlinge im Bundesgebiet - Anspruch auf die bislang verweigerte besondere Arbeitserlaubnis.

Allerdings hat das Bundessozialgericht eine maßgebliche Einschränkung eingebaut. Vom Richterspruch profitiert nur, wer sich seit mehr als acht Jahren hier aufhält. Gerade Palästinenser und Flüchtlinge aus dem Libanon haben ihren Aufenthalt in der Bundesrepublik und West-Berlin oft unterbrochen - freiwillig oder zwangsweise durch Abschiebung. Zudem wird bei Jugendlichen die Zeit vor dem 15.Lebensjahr nicht angerechnet. „Was machen zum Beispiel die 16-23jährigen?“, sagt Ines Sprenger. „Die fallen da raus.“

anb

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