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Blasse Würstchen

■ Gemein: Oberfinanzdirektion will Greenpeace ans Leder

Bis dato ist noch unbekannt, welcher miserablige Sesselfurzer auf die Idee kam, den Umweltschützern von Greenpeace ihre Gemeinnützigkeit aberkennen zu wollen. Auf jeden Fall: Dieser anachronistische Mensch steht weit außerhalb des bundesdeutschen Mainstreams. Er hat die Gefühlslage der Nation noch keinesfalls verinnerlicht. Denn für diese Nation sind die Umweltkämpfer von Greenpeace längst der Inbegriff des guten Menschen. Schulklassen pilgern ins Greenpeace-Haus, die Postberge aus rührenden Kinderbriefen und Glückwunschtelegrammen („Eine Million Küsse - haltet durch!“) werden immer größer, das Spendenaufkommen erreichte im letzten Jahr schwindelerregende 38 Millionen Mark, und natürlich spielen auch die Kids nicht mehr Winnetou, sondern Schornsteinbesetzen.

Was früher der liebe Gott war, der Kaiser, Albert Schweitzer oder die Heilsarmee, dafür steht heute Greenpeace: die letzten Helden in einer armseligen Zeit, zuständig für Abenteuer, Hoffnung, Zukunft, Moral und Aufbegehren gegen die Unerträglichkeit des schwindsüchtigen Planeten. In der Tagesschau haben sie schon lange ihren festen Platz, und wenn ihre Schlauchboote vor US -Schlachtschiffen kreuzen, dann rudern 20 Millionen Wohnzimmer mit. Für Greenpeace schlagen die Herzen, und es ist tatsächlich scheißegal, ob ihre Aktionen legal oder illegal sind.

Dies ist inzwischen selbst bundesdeutschen Richtern schnurz. Wiederholt wurden Verkehrs- und Umweltsünder, von der Justiz zu Geldstrafen verdonnert, dazu aufgefordert, ihre Buße an die Umweltschützer in Hamburg zu schicken. Was noch aussteht, ist das Bundesverdienstkreuz oder der Friedensnobelpreis.

Wenn in einer solchen Situation ein blasses Würstchen aus der Hamburger Oberfinanzdirektion an der Gemeinnützigkeit von Greenpeace rüttelt, kann das nur noch amüsieren. Entweder hat der Mann keinen Fernseher, oder er ist Mitglied beim Konkurrenzverein „Robin Wood“. Wie auch immer: Die Frage der Gemeinnützigkeit ist längst beantwortet. Die bundesdeutschen Hätschelkinder brauchen dafür keinen Stempel von Hamburger Finanzbeamten. Sie brauchen ihn nur, um die steuerlich absetzbare - Spendenflut am Laufen zu halten. Dafür ist er aber bitter nötig, denn wenn's ums Geld geht, hört bekanntlich in Deutschland die Freundschaft auf selbst die zu Greenpeace.

Manfred Kriener

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