: Stadtmitte
■ A L z u R E P S: P o l i t i k n a c h D a f f k e
Auflösung und Zerschlagung aller faschistischen Organisationen fordert ein Aufruf des „Bündnisses gegen Faschismus, Rassismus und Sexismus“, den der Delegiertenrat der AL, das schärfste Parteieorgan zwischen den Mitgliederversammlungen, am Mittwoch billigte.
Im Wahlprogramm 1989 heißt es dagegen, ein Verbot der Republikaner sei keine angemessene Lösung. Ziel der jetzt vom Delegiertenrat bestätigten Aktion ist es, „durch möglichst großen politischen Druck den Parteitag der REPs zu verhindern“. Dazu wurde eine Kundgebung am Veranstaltungsort beschlossen. Diesen Aufruf der AL unterstützte der Delegiertenrat - obwohl die Einschätzung unwidersprochen blieb, daß sich Samstag morgen um 8 Uhr kaum ALerInnen zur Kundgebung einfinden werden.
Die AL nimmt damit nicht nur das erhebliche Risiko in Kauf, daß eine Neuauflage der Randale vor dem ICC stattfindet, die den REPs ja den letzten Kick für die Januarwahlen gab, sondern auch, daß sie in der Öffentlichkeit dafür verantwortlich gemacht wird. Statt sich mit den alt-neuen Rechten politisch auseinanderzusetzen und den Dialog mit ihren WählerInnen zu suchen, werden Aktionen durchgeführt, die eben diesen WählerInnen als undemokratisch erscheinen müssen und die die REPs in die Würde von Halbmärtyrern versetzen. GEW und Jusos haben bereits erklärt, sie würden sich einem Verbot der Kundgebung am Parteitag fügen und etwa zum Südstern ausweichen. Der AL verbleibt die Ehre, allein die Staffage für eine Aktion abzugeben, auf deren Verlauf sie keinerlei realen Einfluß ausüben kann. Bleibt die Frage, wie sich solche Beschlüsse erklären.
Offenbar braucht die AL Ventile für ihre Frustration über die Koalition. Eine Partei, die sich in rauschhafte Visionen des „jetzt wird alles anders“ verstiegen hat, wird mit der Tatsache, daß fast alles gleichbleibt, schwer fertig. Da müssen dann dort, wo es anscheinend nichts kostet, Kompensationen her. Scheinbar große Gesten, die das Regierungsbündnis aber nicht gefährden, sind en vogue. Da wird einer BI eine nutz-, weil folgenlose Resolution gegen den Übergang Schichauweg mitgegeben, da wird eine Anzeige gegen die Übernahme der Sicherheitsgesetze geschaltet, von der die UnterzeichnerInnen hoffen, daß sich die AdressatInnen nicht daran halten, weil dies die Koalition gefährden würde, und da wird dann eben auch schnell ein Aufruf gebilligt, der gegen das Wahlprogramm verstößt. Daß dabei die Glaubwürdigkeit der AL zum Teufel geht, macht nichts: Im Augenblick befreit es doch immer wieder so schön, Politik wie „früher“, nach Daffke zu machen.
Hoffen kann ich nur mit Hans-Magnus Enzensberger: „Welch ein Triumph, Kassandra, eine Zukunft zu schmecken, die dich widerlegt.“ Vielleicht geht ja alles doch gut beim REP -Parteitag, weil die Kreuzberger Bürgerinnen und Bürger um 8 Uhr früh nicht in genügender Anzahl aufstehen oder so.
Johann Müller-Gazurek (AL-Politiker und Exmitglied
des Bundesvorstandes der Grünen)
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