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S O N N T A G

Spruchreif heißt die „Jugend-Mittalk-Show“ der ARD, in der um 14.15 über „Zivilcourage - Mut im Alltag“ live diskutiert werden soll, unter anderem mit einem Briefträger, der sich geweigert hat, Postwurfsendungen der rechtsradikalen DVU auszutragen. Um 16.20 Uhr zeigt die ARD eine „unterhaltsame Roller-Reise in die Nachkriegszeit“: Vespa-Fieber. War für den 15.Mai angekündigt, entfiel wegen einer Tennisübertragung“, stand lapidar im 'Gong‘. Na, diesmal wird Vespa-Fieber ganz gewiß nicht entfallen. So wenig wie Der Clou, den die ARD um 20.15 Uhr zeigt. Auch den Film hat man im Fernsehen schon mehrfach sehen können, aber wenn Großganoven von hinterlistig klugen Kleinganoven so prächtig reingelegt werden wie im Clou, guckt man sich das gern öfter an. In der Kulturreportage, ebenfalls ARD, wird um 22.20 Uhr ein halbes Stündchen lang vom Filmfest München 1989 berichtet. Moderator ist Giovanni di Lorenzo, neuer Kollege bei III nach 9, der Radio-Bremen-Talkshow, wo er ölglatte Konfliktvermeidungsfähigkeit demonstriert. Von Sinnen scheinen die Hessen zu sein: Ab 20.15 Uhr toben Wir Hessen vier Stunden lang durch Hessen 3. Gezeigt wird erbarmungslos: die ungekürzte Übertragung vom Hessentagsfestzug in Frankenberg an der Eder mit Musikgruppen, Motivwagen und über 250 Einzelnummern.

Einen wunderbaren Elvis in hinreißend kitschiger Umgebung zeigt N 3 um 22.55 Uhr: Verschollen im Harem. Es ist der Auftakt zu einer fünfteiligen Elvis-Presley-Reihe - Filme, bei denen man ja meistens nur darauf wartet, daß Elvis die Handlung mit einem Liedchen unterbricht. Heute singt er unter anderem „Harem Holiday“, „Kismet“ und „My Desert Serenade“. Falls es noch jemanden geben sollte, der Woody Allens The Purple Rose of Cairo nicht gesehen hat, gibt es um 22.15 Uhr auf Bayern 3 Gelegenheit, das nachzuholen. Allerdings ganz bestimmt nicht zum letzten Mal. Und wer verkabelt ist, wird sowieso längst festgestellt haben, daß nach dem Rotationsprinzip jeder Spielfilm durch sämtliche Kanäle wandert. Man müßte sich direkt anstrengen, um einen Film zu versäumen.

Im ZDF beginnt um 19.30 Uhr eine siebenteilige japanische Reihe über die Geschichte der Erde: Wunderbarer Planet heißt sie und verspricht, mit den modernsten Mitteln der Computer -Tricktechnik die geologischen Bedingungen zu erklären, die zur Wüstenbildung geführt und einen Wechsel zwischen Begrünung und Verwüstung im Zeitraum von vielen hundert Millionen Jahren bewirkt haben.

Nach Erfüllung des Bildungsauftrags erfüllt das ZDF um 22 Uhr seinen Kulturauftrag und zeigt: Die Verfolgung und Ermordung Jean Paul Marats, dargestellt durch die Schauspielgruppe des Hopizes zu Charenton unter Anleitung des Herrn de Sade. Peter Brook hat Peter Weiss‘ Drama über Revolution und Restauration in Frankreich zuerst auf der Bühne mit der Royal Shakespeare Company in London inszeniert und danach, 1966, den Spielfilm gedreht, den das ZDF nun zeigt. Im Mittelpunkt des mehrfach gebrochenen Theaters im Theater steht der Disput zwischen dem Revolutionär Marat und dem Anarchisten de Sade - der historisch nicht stattgefunden hat - über Revolution, Terror, Gerechtigkeit, Gleichheit und Solidarität. Der Film von Brooks ist kein abgefilmtes Theater, sondern eigenständige Fassung des Bühnendramas, im Original mit Untertiteln.

Sybille Simon-Zülch

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