: China fälscht Geschichte
■ Offizielle Opferbilanz nach Massaker auf dem Tiananmen-Platz / Zhaos Entmachtung vom Volkskongreß bestätigt / Bank of China in Frankfurt besetzt
Peking/Frankfurt (afp/dpa/taz) Die chinesischen Machthaber fahren fort, die Geschichte zu fälschen: Nach neuen offiziellen Angaben sollen nicht etwa mehrere Tausend, sondern nur an die 200 Zivilisten bei dem Massaker in Peking getötet worden sein. Der Nationale Volkskongreß hat gestern die Abberufung des ehemaligen Parteichefs Zhao Ziyang von seinem Posten als stellvertretender Vorsitzender der Zentralen Militärkommission des ZK der Partei abgesegnet. Unterdessen teilte des Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) mit, daß die Bonner Entwicklungskooperation mit der Volksrepublik praktisch eingefroren sei. Die USA hatten bereits am Donnerstag eine weitere Verschärfung der Wirtschaftssanktionen gegen China beschlossen.
Der Pekinger Bürgermeister Chen Xitong hat gestern neue amtliche Zahlen über die Opfer des Militäreinsatzes gegen die Demonstranten in der chinesischen Hauptstadt vorgelegt. Demnach wurden Anfang Juni „mehr als 200 Zivilisten, darunter 36 Studenten“ getötet. Mehr als 3.000 Zivilisten seien verletzt worden, sagte Chen nach Angaben der chinesischen Nachrichtenagentur 'Xinhua‘ vor dem Ständigen Ausschuß des Nationalen Volkskongresses in Peking.
Bei der Sitzung stimmten von den 132 anwesenden Mitgliedern 126 für die vom Vorsitzenden der Kommission, Chinas starkem Mann Deng Xiaoping, eingebrachte Resolution zur Absetzung Zhaos wegen „schwerwiegender Fehler“.
Unterdessen hat in Peking ein Fortsetzung auf Seite 2
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neuer Prozeß gegen drei „Konterrevolutionäre“ begonnen, die beschuldigt werden, am 23.Mai das Mao-Porträt über dem Eingang zur Verbotenen Stadt im Herzen Pekings verunstaltet und zum Sturz der Partei aufgerufen zu haben, meldete das chinesische Fernsehen.
Bonn und Washington haben inzwischen erneut auf die blutige Zerschlagung der Demokratiebewe
gung in China reagiert. Die Bonner Entwicklungskooperation mit der Volksrepublik ist praktisch eingefroren worden, hieß es im zuständigen Bonner Ressort.
Das US-Repräsentantenhaus hatte am Donnerstag einstimmig weitere Wirtschaftssanktionen gegen die China verabschiedet. De facto stimmten die Abgeordneten einem Zusatz zum 23 -Milliarden-Dollar-Gesetz für Auslandshilfen zu, der unter anderem vorsieht, alle Bürgschaften der Regierung für Privatinvestitionen in China einzustellen,
den bilateralen Handel auf dem bisherigen Stand einzufrieren, die Zusammenarbeit bei der Nutzung von Atomkraft zu friedlichen Zwecken auszusetzen, keine Polizeiwaffen mehr zu liefern sowie den Transport von US -Satelliten durch chinesische Trägerraketen zu stoppen. Politische Beobachter rechnen mittlerweile damit, daß Bush kein Veto gegen die Kongreß-Phalanx einlegen wird.
Aus Protest gegen „den Staatsterror“ und die Hinrichtungen in China haben gestern rund 30 Mitglieder
der studentischen Linken Liste und des Sozialistischen Büros in Offenbach die „Bank of China“ vorübergehend besetzt. Die BesetzerInnen forderten zugleich in einem offenen Brief den rot-grünen Magistrat auf, „alle rechtlichen und politischen Möglichkeiten auszuschöpfen“, um den Betrieb der Bank zu beenden. Nach anderthalbstündiger Belagerung des verschlossenen Eingangs wurde die Aktion mit einem Polizeieinsatz beendet. Nach Auskunft des Geschäftsführers Heinz Brandt ist die Frankfurter Niederlassung die
einzige in der BRD. Über sie werden die deutsch-chinesischen Geschäfte abgewickelt.Rainer Kreuzer
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