: Stahns Speichelfaden
■ Warum vereinzelt teilbekleidete weibliche Badegäste nur im Liegen die Toleranzschwelle nicht überschreiten
Schwimmerinnen, aufgepaßt! Das Badengehen will gelernt sein in Berlin-Steglitz. Gar undurchschaubar ist das Regelwerk der dortigen Sommerbäder, doch kann der aufgeschlossenen taz -Leserin nach lange währender Recherche und dem nicht ungefährlichen Einsatz von V-Frauen das geheime Machwerk enthüllt werden:
§§4D, Absatz 38:
Der Badegast ist verpflichtet, auf dem Badgelände Badebekleidung zu tragen.
Auf den ersten Blick ein simples Statut, doch birgt die Raffinesse der Formulierung unwägbare Gefahren. Was, fragt sich die badelustige Frau, könnte gemeint sein mit dem Wort „Badebekleidung“? Bademeister Pansch weiß die Antwort: „Für Männner 'ne Badehose, für Frauen 'n Badeanzug oder mit so 'n Oberteil“ (haut sich auf die Brust).
Nun hat frau allerdings unlängst in einem Badebekleidungsgeschäft ein aus dehnbarem Gummistoff gefertigtes Unterteil für teures Geld erstanden, in dem festen Glauben, daß es sich dabei um einen Badebekleidungsartikel handle. Daß dieser unvollständig sei, darüber kann sich die Laiin von Badebekleidungskenner Pansch aufklären lassen: „Da könn‘ wa ja gleich ohne allet jeh'n“ (hebt an, sich die Hose vom Leib zu reißen).
Da nun derart unvollständige Badebekleidungsattrappen den Angestellten der Steglitzer Sommerbäder seit Jahren das Leben zur Hölle machen, wurde von einem Sachverständigen erstellt der
Zusatz zu §§ 4 D, 1. Interne Regelung:
Trotz teilweise sparsamster Materialverwendung (hier unterbricht ein aus dem Mundwinkel rinnender Speichelfaden des Bäderamtleiters Stahn den Schreibfluß) wird allgemein unter dem Begriff „Badebekleidung“ für Frauen ein ein- oder mehrteiliger Badeanzug verstanden.
An dieser Stelle hätte das Problem gelöst sein können, wären da nicht die Badebekleidungshändler gewesen, die den unzähligen um ihre Badebekleidungsartikel betrogenen Frauen die Badebekleidungsattrappen nicht in die erforderlichen ein - oder mehrteiligen Badeanzüge umtauschen wollten. Die bevorstehende Prozeßwelle konnte verhindert werden mit dem
Zusatz zum Zusatz zu §§4D, 2.Interne Regelung:
Die Bäderämter haben sich dahingehend verständigt, das „Oben-ohne-Sonnen“ einzelner weiblicher Badegäste zumindest so lange zu dulden, wie sich andere Badegäste dadurch nicht beschwert fühlen.
Spätestens jetzt hätte die Geschichte ihren Abschluß gefunden, wären da nicht einzelne weibliche Badegäste, die dem Sonnenbad nicht nur im Liegen, sondern auch im Sitzen ja, sogar im Stehen und Laufen frönten. An dieser Stelle wurde zur Abwendung der barbusigen Bedrohung unvermeidlich der
Zusatz zum Zusatz zum Zusatz zu §§4D, 3. Interne Regelung:
Beschwerden sind stets dann zu verzeichnen, wenn vereinzelt teilbekleidete Damen im Badgelände herumlaufen und damit die Toleranzschwelle überschreiten. In diesem Fall ist dann das Eingreifen des Aufsichtspersonals in der Regel unvermeidbar.
Opfer dieses unvermeidbaren Eingreifens des Aufsichtspersonals wurde eine Schwimmerin, die sich aus Ermangelung einer Brustwarzenbedeckung mit entblößtem Oberkörper ihrem Sport hingab und den erregten Aufrufen der Badbediensteten zur Sittsamkeit trotzte. Endlich konnte sie mit Polizeigewalt des Badgeländes verwiesen werden.
Bei der entfernten Person handelte es sich um eine von der taz eingesetzte V-Frau, so daß die Berichterstattung über die Weiterentwicklung des Internen Regelwerks in den Steglitzer Sommerbädern vorläufig unterbrochen ist.
Die zitierten Regelungen entstammen einer der taz zugespielten Verfügung, die von Bäderamtsleiter Stahn bearbeitet und von Ex-Stadtrat Lemmer (CDU) unterzeichnet ist.
Daniela Hutsch
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