: Selbstbewußt zieht die Swapo in den Wahlkampf
Mit einer Massenversammlung eröffnete die Swapo am Wochenende ihren Wahlkampf in Namibia / Hage Geingop, starker Mann der Organisation, legt gemäßigtes Wirtschaftsprogramm vor / Die Leiterin des Swapo-Gesundheitswesens will 50% Frauen im Parlament ■ Aus Windhoek Michael Vesper
Namibia erlebte an diesem Wochenende die wohl größte politische Versammlung seiner Geschichte: Rund 25.000 Menschen waren am Samstag nach Katutura, der schwarzen Wohnstadt von Windhoek gekommen, als die namibische Befreiungsbewegung Swapo ihren Wahlkampf für die Anfang November 1989 geplante Wahl offiziell eröffnete. Das überaus große Selbstbewußtsein der Swapo einerseits und ihr klarer Versöhnungswille, der sich besonders in einem eher gemäßigten Wirtschaftsprogramm äußerte, wurde auf der Versammlung deutlich. Erstmals bei einer Swapo-Versammlung gab es auch eine „Diplomatenbank“, auf der VertreterInnen der bereits zahlreich nach Namibia gekommenen Beobachtermissionen Platz nahmen - die bundesdeutsche, die bereits mehrere Millionen Mark in den Kauf eines Botschaftsgebäudes investiert hat, fehlte allerdings.
Wie nervös und angespannt die Atmosphäre auf der Veranstaltung war, die als erste nicht durch Südafrikaner be - und überwacht wurde, zeigte sich, als unter einem Lastwagen mit lautem Knall ein Feuerwerkskörper hochging. Die ersten Reihen gehen instinktiv zu Boden, der Zaun, der den Bühnenbereich abtrennt, wird teilweise umgedrückt, die Leute schreien. Es gibt einige Verletzte. Viele stürmen zu dem einzigen Ausgang, der sich als Nadelöhr erweist. Dann die erlösende Meldung vom Podium: Es ist doch nur ein Ballon, Leute! Nachdem sich die Stimmung nicht sofort beruhigt, gibt es ein musikalisches Intermezzo, und wie befreit wird der Schreck weggetanzt und -gesungen.
Mit umwerfender Pünktlichkeit hatte die Swapo-Führung die Bühne betreten. Ein regelrechtes Protokoll legt die Sitzordnung fest. Die Ehre der ersten Reihe wurde - neben dem Leiter der Versammlung und nationalen Vorsitzenden, Daniel Tjongarero und Nathaniel Maxuilili, dem amtierenden Präsidenten - ausschließlich RückkehrerInnen zuteil: Theo Ben Gurirab, „Außenminister“ der Swapo, Hidipo Hmautenya, zuständig für Informationspolitik, Libertina Amathila, erste namibische Ärztin und Leiterin des Swapo-Gesundheitswesens, und Hage Geingob, Direktor des Wahlkampfteams und vorerst starker Mann der Swapo in Namibia. Das Programm, das er vortrug, ist geprägt von politischer Zurückhaltung und Versöhnungsbereitschaft: Immer wieder betonte er, die Swapo wolle einen geeinten demokratischen Staat aufbauen, dessen Grundpfeiler die drei Elemente der klassischen Gewaltenteilung sind: die Exekutive mit einem Staatspräsidenten und einem Kabinett an der Spitze, die Legislative in Form eines Ein-Kammer-Parlaments und die unabhängige Rechtssprechung. Außenpolitisch wird Namibia unter Swapo-Führung zu den Blockfreien gehören. In einer Grundrechtserklärung sollen Religions- und Gewissensfreiheit und ein umfassendes Diskriminierungsverbot garantiert werden.
Interessant vor allem der Wirtschaftsteil des Wahlprogramms: Als Ziel ihrer Politik des wirtschaftlichen Wiederaufbaus nennt die Swapo „eine Änderung der Besitzverhältnisse, eine gerechte Verteilung des Nationaleinkommens und die Diversifizierung der Wirtschaft“. Zwar werde der Staat „einen beträchtlichen Anteil der wirtschaftlichen Ressourcen des Landes besitzen“, aber eine totale Enteignung von Privateigentum werde es nicht geben. Namibia werde bereit sein, „neue Übereinkünfte sowohl mit den bestehenden ausländischen Firmen als auch neuen Investoren“ zu schließen. Es gehe darum, „ein Gleichgewicht zu schaffen zwischen gerechten ökonomischen Einnahmen für das namibische Volk und angemessenen Gewinnen für ausländische und lokale private Investoren“. Ein klarer Wink also an die weißen Farmer und internationalen Unternehmen: Bleibt im Land und helft mit, es zu entwickeln; Ihr werdet fair behandelt. Die ZuhörerInnen ließen diese trockenen Ausführungen stumm und diszipliniert über sich ergehen. Spontaner Beifall brandete erst auf, als Geingob die konkreten Bedürfnisse der Menschen ansprach: Erziehung und Gesundheit und bessere Wohnungen für alle NamibianerInnen! Die anderen Parteien, die der Swapo ohnehin kaum gefährlich werden können, werden zum Auftakt des Wahlkampfes nicht einmal erwähnt; Polemiken richteten sich allenfalls gegen die südafrikanischen Besatzer. Es ging eben in erster Linie um die Manifestation der politischen Ziele, die die Swapo verfolgt. Libertina Amathila brachte anschließend das Kunststück fertig, die Versammlung nach über fünfstündiger Dauer, während die Menschen stehend in strahlender Wintersonne und Staub ausharrten, zum Höhepunkt zu führen. Hatte Geingob noch doziert, die Frauen seien „doppelt unterdrückt durch das System und durch die Männer, und dieses System muß geändert werden“, machte sie deutlich, was das konkret heißt: „Die Hausarbeit muß zwischen Männern und Frauen geteilt werden, und wir wollen mindestens 50 Prozent Frauen in unserem Parlament!“
Michael Vesper hält sich als Wahlkampfbeobachter der Grünen z.Zt. in Namibia auf.
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