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Gewalt-betr.: "Stuttgarts Polizei prügelt wieder", taz vom 27.6.89

betr.: „Stuttgarts Polizei prügelt wieder“, taz vom 27.8.89

„Polizeisprecher Gaißmaier mußte gestern auf Anfrage die Vorwürfe im wesentlichen bestätigen.“

Er bestätigt, getan wird nichts. Die armen, kleinen Polizisten sind überfordert. Wie überall zuwenig Leute, zu lange Arbeitszeiten, Nachtdienst, Schichtarbeit. Das gibt doch die Legitimation für Schlagen, Quälen, Beschimpfen und Bedrohen im Dienst ab. Da kann sich doch der gemeine Polizist richtig austoben.

Ob „Republikaner“ oder CSU-Wähler, es gibt doch nichts besseres, als für die Möglichkeit, verhaßte, „asoziale“ oder linke Elemente gleich an Ort und Stelle in Lynchjustiz zu bestrafen, auch noch bezahlt zu werden. Aber wir sprechen hier ja auch von den ausführenden Organen der Staatsgewalt und die Betonung wollen wir doch auf Gewalt legen.

Ich arbeite als Sozialpädagogin an einer Schule. Zwei meiner damals 14jährigen Schüler sind im April 1988 nachts um 2.30 Uhr beim Aufbrechen eines Zigarettenautomaten erwischt und verhaftet worden. Sie wurden mit auf den Rücken gefesselten Händen auf das Polizeirevier Oberschleißheim gebracht.

Dort wurden sie ins Gesicht, in Magen und Nieren und auf den Hinterkopf geschlagen. Sie wurden ca. vier Stunden lang getrennt voneinander mit Handschellen an Treppengeländer gefesselt und erst am frühen Morgen in die Ettstraße gebracht. Äußerungen wie: „Die sollte man gleich in den Wald fahren und erschießen“, dienen sicherlich der vielzitierten demokratischen Verantwortlichkeit und Mündigkeit der beiden Jungen.

Die aufgrund dieser Nacht erwachsenen Aggressionen und Ängste bei den Kindern sind bis heute nicht völlig überwunden. Wen wundert's?

Gegen die Beamten wurde Anzeige erstattet, das Verfahren wurde vom Staatsanwalt niedergeschlagen, der Anwalt der Jungen strebt weiterhin eine Verhandlung an.

Es lebe die Vergangenheitsbewältigung a la BRD. 1933-45, das war einmal, Faschismus Hitler. Wir, hier und heute, haben keinen Faschismus mehr. Wir haben Demokratie.

Susanne Spanier, München

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